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Weiterbildung medizinischen Personals vor Ort ist das Wichtigste

Sierra Leone ist aktuell mit einer dritten Welle an Coronavirus-Infektionen konfrontiert und eines der Länder, in denen immer noch eine hohe Zahl von Kindern unter fünf Jahren an vermeidbaren und heilbaren Krankheiten stirbt. Im Moment behandeln unsere Teams in Hangha Krankenhaus in Kenema Kinder gegen Mangelernährung, Malaria und andere Infektionskrankheiten und versorgen abgelegene und "schwer zugängliche Gebiete" mit medizinischer Hilfe. Zusätzlich baut unsere “Ärzte ohne Grenzen Academy für Gesundheitsvorsorge” die Kapazitäten der lokalen Gesundheitsarbeiter*innen aus, um das aufgrund von Ebola und einem zehn Jahre andauernden Bürgerkrieg geschwächte Gesundheitssystem, langfristig wieder zu stärken. 
 

"Als Covid-19 kam, hatte ich Angst, das Virus könnte so tödlich sein wie Ebola”, sagt der 45-jährige Ira Jonson. Während des Ebola-Ausbruchs 2014, war er als Logistiker maßgeblich an der Bekämpfung der Epidemie beteiligt. 

Während dieser Zeit lernte er in dem Ebola-Zentrum, in dem er arbeitete, eine schwangere Frau kennen, die an Ebola erkrankt war. Er schaffte es, sie zu überzeugen, sich dort medizinisch behandeln zu lassen. Einige Tage später verstarb sie jedoch.  

Nachdem wir sie beerdigt hatten, bedankte sich ihr Mann bei uns allen, markierte das Grab seiner Frau mit einem Kreuz und ging. Ich hatte das Gefühl, sie im Stich gelassen zu haben.  - Ira Jonson 

Der Beginn unserer Arbeit in Sierra Leone 

Das Land ist immer noch dabei, sich von der Ebola-Epidemie und einem jahrzehntelangen Bürgerkrieg, der 2002 endete, zu erholen. Zusätzlich kämpft es nun mit der dritten Welle der Coronavirus-Pandemie. Wir leisten seit 1986 medizinische Hilfe in Sierra Leone. Unser erstes Projekt eröffneten wir aufgrund des großen Cholera-Ausbruchs. Heute überwachen unsere Teams die Ausbreitung verschiedener Krankheiten, darunter auch Covid-19.  

Aktuell leiten wir medizinische Projekte in den Distrikten Kenema, Tonkolili und Bombali und unterstützen das Ministerium für Gesundheit und Hygiene bei der Gesundheitsversorgung. In Kenema, im Osten Sierra Leones, konzentrieren sich unsere Aktivitäten auf Kinder unter fünf Jahren, schwangere Frauen und stillende Mütter.  

Heilbar und vermeidbar, aber immer noch tödlich   

Die Ausbrüche von Epidemien und der jahrelange Bürgerkrieg haben das Gesundheitssystem in Sierra Leone stark geschwächt. Kinder sind von Malaria, Mangelernährung und Durchfall betroffen. Die Unterstützung bei der Wiederherstellung des Gesundheitssektors hat für uns hohe Priorität, denn nur so lässt sich die Zahl der Todesfälle bei Kindern und Müttern reduzieren.  

"Die Sterblichkeitsraten von Kindern und Müttern sind in Sierra Leone außergewöhnlich hoch,  aber wir arbeiten daran, sie durch unsere Unterstützung des Gesundheitsministeriums zu  senken" - Whitney Ward, unsere Projektleiterin in Sierra Leone. 

Ka Musa (26) und ihr Kind bei einer Malariabehandlung im Hangha Gesundheitszentrum in Kenema, Sierra Leone.
© Mohammed Sanabani/MSF

Die medizinischen Bedürfnisse der Kinder sind weitaus größer als die verfügbaren Ressourcen in der Region und die Kindersterblichkeit ist seit zehn Jahren gleichbleibend hoch.   

Über alle Altersgruppen hinweg ist Malaria die häufigste Todesursache des Landes und macht 38 Prozent der Krankenhauseinweisungen in Sierra Leone aus. Die Krankheit selbst ist heilbar, wenn sie früh diagnostiziert und behandelt wird. Für viele Menschen bleibt es jedoch eine große Herausforderung, sich und ihren Kindern eine medizinische Behandlung leisten zu können.  

Medizinische Versorgung ohne Unterbrechung  

Im Hangha Krankenhaus gibt es eine Notaufnahme, Intensivstation und zwei allgemeine Kinderstationen. Für die Versorgung mangelernährter Kinder sorgt das therapeutische Ernährungszentrum. Ergänzt werden all diese Leistungen durch ein Zentrallabor, Röntgengeräte und eine Blutbank. Das Krankenhaus baut seine Dienstleistungen weiter aus. Derzeit werden eine neue Entbindungs- und eine Neugeborenenstation errichtet. Innerhalb eines Jahres wurden im Krankenhaus 24.361 Patient*innen behandelt. 

Da der Distrikt Kenema noch nicht zu 100 Prozent an das nationale Stromnetz angeschlossen ist, betreiben wir das Krankenhaus mit einem Hybridsystem aus Solarenergie und Dieselgeneratoren. In Zukunft soll das Krankenhaus vollständig mit sauberer Energie betrieben werden.   

Viele Hindernisse – der Weg in unser Krankenhaus ist oftmals weit    

In Sierra Leone leben 60 bis 65 Prozent der Menschen in ländlichen Gebieten, einige davon in abgelegenen Dörfern. Unsere Einsatzteams bieten in 25 Dörfern im Distrikt Kenema eine gemeindenahe und direkte Versorgung. In zehn lokalen Gesundheitsstationen werden Krankheiten wie Malaria, Durchfall und Lungenentzündungen behandelt.   

Für viele Menschen ist der Zugang zu medizinischer Versorgung sehr beschwerlich, da die  Kosten für den Transport oder Medikamente zu hoch sind. Manche der Dörfer sind zu weit  von den Gesundheitszentren entfernt.” erzählt Olga EM, unsere medizinische Koordinatorin.   

Von der Sicherstellung der kontinuierlichen Versorgung mit lebenswichtigen Medikamenten über ärztliche Konsultationen, Impfungen von Kindern und die Sanierung von Gesundheitseinrichtungen, bieten unsere Teams in abgelegenen Dörfern Aufklärungskurse zur Malariaprävention und -behandlung an.  

Zukunftsorientiert – Die "Ärzte ohne Grenzen Academy für Gesundheitsvorsorge"    

Sierra Leone benötigt mehr qualifiziertes Gesundheitspersonal, um die Versorgung in den Gesundheitseinrichtungen zu verbessern, den Menschen eine hochwertige medizinische Versorgung bieten zu können und um bei Krankheitsausbrüchen und Naturkatastrophen effektiv zu reagieren. Die Schulungsinitiative “Ärzte ohne Grenzen Academy für Gesundheitsvorsorge” (MSF Academy for Healthcare) konzentriert sich auf die Stärkung von Fähigkeiten und Kompetenzen des medizinischen Personals.   

Die Investition in medizinisches Personal wirkt sich direkt auf die Versorgungsqualität der Menschen in Sierra Leone aus" - Chloe Widdowson, unsere Bildungsmanagerin in Sierra Leone.  

Bislang wurden 110 Krankenpfleger*innen und 58 Gesundheitsberater*innen in die Schulungsprogramme der Academy in Kenema aufgenommen. Darüber hinaus wurden Mitarbeiter*innen des Gesundheitsministeriums in ein ambulantes Programm eingeschrieben. Die Zusammenarbeit mit der Behörde für Krankenpfleger*innen und Hebammen (“Nurses and Midwives Board”) soll die lokalen Kapazitäten zusätzlich stärken.      

Wir streben derzeit den Akkreditierungsstatus beim Sierra Leone “Nurses and Midwives Board” an. "Die offizielle Akkreditierung wird den akademischen Status der Teilnehmer*innen, die in unserer Akademie lernen, verbessern und sie weiter ermutigen", sagt Victor Siroky, Vertreter der Academy.  

Im Rahmen Ausbildung in der Academy besprechen die Krankenschwester Mariama Seesay und ihr Mentor Musa Mansary ihre Verbesserungsmöglichkeiten.
© Mohammed Sanabani/MSF