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Italien

Mittelmeer: Rettungsschiff Aquarius muss Einsatz beenden

Marseille/Berlin, 7. Dezember 2018. Die Aquarius wird keine Menschenleben mehr retten. Das gemeinsam von Ärzte ohne Grenzen und SOS Méditerranée betriebene Rettungsschiff ist gezwungen, den Einsatz im Mittelmeer zu beenden. Das Schiff durfte bereits in den vergangenen zwei Monaten den Hafen nicht verlassen, während auf dem Mittelmeer weiter Menschen auf der gefährlichsten Fluchtroute der Welt starben. Das Ende des Rettungseinsatzes der Aquarius bedeutet, dass mehr Menschen ertrinken werden, ohne Hilfe und Zeugen.

„Was wir in den vergangenen Monaten erlebt haben, war eine gezielte Kampagne gegen die Rettung von verzweifelten Menschen auf dem Mittelmeer“, sagt Florian Westphal, Geschäftsführer von Ärzte ohne Grenzen in Deutschland. „Auch die deutsche Bundesregierung trägt eine Mitverantwortung dafür, dass das Sterben auf See weitergeht. Sie schaut seit Monaten tatenlos zu, wie auf dem Mittelmeer die Prinzipien der humanitären Hilfe missachtet werden.“

Die kurzsichtige Migrationspolitik der EU untergräbt nicht nur humanitäre Prinzipien, sondern auch internationales Recht. Ärzte ohne Grenzen und SOS Méditerranée sehen keinen anderen Weg, als die Aquarius außer Betrieb zu nehmen. „Trotz mehrfacher Bitten an die Bundesregierung, die Seenotrettung zu unterstützen, wurden wir nicht gehört und fühlen uns im Stich gelassen", sagt Westphal. „Die Folgen für die Menschen, die nun weiterhin auf dem Meer sterben oder in die Internierungslager von Libyen zurückgezwungen werden, sind verheerend.“

In den vergangenen 18 Monaten haben EU-Staaten die Seenotrettung angegriffen, verleumdet und behindert. Dabei haben sie auf Taktiken zurückgegriffen, die in einigen der repressivsten Staaten der Welt angewandt werden. Obwohl die Aquarius in voller Übereinstimmung und Transparenz mit den Behörden zusammenarbeitete, wurde dem Schiff aus politischen Gründen im Laufe des Jahres zweimal die Registrierung entzogen. Im Zuge der gezielten Angriffe auf NGOs und der Versuche, internationales Recht zu entkräften, wurde den auf hoher See Geretteten der Zugang zu sicheren Häfen verweigert. Auch die Unterstützung von anderen Schiffe wurde abgelehnt, so dass Frauen, Männer und Kinder oft wochenlang auf der Aquarius und anderen Rettungsschiffen festsaßen.

Mehr als 2.130 Menschen sind bisher in diesem Jahr im Mittelmeer ertrunken. Der Großteil von ihnen ist von Libyen aus aufgebrochen. Im Jahr 2015 haben sich EU-Staaten gegenüber dem UN-Sicherheitsrat verpflichtet, im Mittelmeer gerettete Menschen nicht nach Libyen zurückzubringen. „Heute unterstützen dieselben europäischen Länder gewaltsame Rückführungen nach Libyen und präsentieren sie ihren Bürgern als Erfolge im Umgang mit Migration“, sagt Karline Kleijer, Notfallkoordinatorin von Ärzte ohne Grenzen. „Doch das Fehlen lebensrettender Hilfe auf See bedeutet, dass Kinder, Frauen und Männer in willkürliche Gefangenschaft gezwungen werden, ohne Hoffnung auf Schutz und Freilassung.“

Seit Beginn der Such- und Rettungseinsätze im Februar 2016 haben die Teams auf der Aquarius fast 30.000 Menschen aus internationalen Gewässern zwischen Libyen, Italien und Malta gerettet. Die Aquarius beendete den letzten Einsatz am 4. Oktober, als das Schiff mit 58 Geretteten an Bord in Marseille eingelaufen ist. Gemeinsam haben alle Such- und Rettungsschiffe von Ärzte ohne Grenzen seit 2015 mehr als 80.000 Menschen aus Seenot gerettet. Trotz der jüngsten Bemühungen anderer NGOs gibt es nur noch einige wenige private Rettungsschiffe im zentralen Mittelmeerraum. „Wir fordern die EU-Staaten eindringlich auf, Menschenleben zu schützen und an humanen, nachhaltigen und rechtskonformen Lösungen zu arbeiten, sagt Kleijer. „Solange Menschen auf See und in Libyen leiden, wird Ärzte ohne Grenzen nach Möglichkeiten suchen, sie medizinisch zu versorgen.“

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Lena Langbein
Lena Langbein
- Media Relations