Flüchtlinge aus Eritrea: Bericht zeigt verheerende Folgen der EU-Migrationspolitik
Berlin, 27. Februar 2017. Ärzte ohne Grenzen zeigt in einem heute veröffentlichten Bericht die verheerenden Folgen der restriktiven EU-Migrationspolitik für Flüchtlinge aus Eritrea. Der Bericht „Dying to Reach Europe: Eritreans in Search of Safety“ basiert auf Augenzeugenberichten von Menschen aus den Projekten von Ärzte ohne Grenzen. Er zeigt das Ausmaß an Gefahren, denen Eritreer wegen fehlender Fluchtalternativen auf dem Weg durch die Sahara, durch Libyen und über das Mittelmeer ausgesetzt sind. Die Berichte beschreiben auch den oft jahrzehntelangen militärischen Zwangsdienst und fehlende Freiheiten in dem kleinen, stark militarisierten ostafrikanischen Land. Deserteure werden verhaftet, eingesperrt und riskieren Folter und Tod.
„Neun von zehn Eritreern, die es nach Europa schaffen, wird Schutz gewährt. Die europäischen Regierungen erkennen fast alle Asylgesuche von Eritreern an, hindern sie aber daran, diese auch zu stellen, indem sie sie von den europäischen Küsten fernhalten“, sagt Arjan Hehenkamp, Geschäftsführer von Ärzte ohne Grenzen in den Niederlanden.
Die Teams von Ärzte ohne Grenzen werden täglich Zeugen der erschütternden medizinischen und humanitären Folgen eines immer restriktiveren Umgangs mit Flüchtenden. Mitarbeiter, die Eritreern in Äthiopien, Libyen und auf dem Mittelmeer helfen, sehen Wunden, große Narben und schwere psychische Erkrankungen, die zu den Berichten der Befragten passen.
Sie beobachten die Hoffnungslosigkeit in äthiopischen Flüchtlingslagern, wo die Menschen zum Überleben vollkommen auf Hilfe von außen angewiesen sind. Im Sudan erhalten die Geflüchteten keinen Schutz und zu wenig Hilfe. Sie laufen sogar Gefahr, eingesperrt und zurück in ihr Heimatland gebracht zu werden. Viele sehen daher keinen anderen Ausweg als die Flucht fortzusetzen und das Risiko von physischer, psychischer und sexueller Gewalt in den libyschen Internierungs- und Abschiebelagern einzugehen und die gefährliche Reise über das Mittelmeer auf sich zu nehmen, um in Europa Sicherheit und Freiheit zu finden.
2015 bildeten Flüchtlinge aus Eritrea mit 39.162 Frauen, Männern und Kindern die größte Gruppe unter den Menschen, die das Mittelmeer überquerten. 2016 waren sie mit 20.178 Menschen die zweitgrößte Gruppe.
Anstatt sichere und legale Wege für diejenigen zu schaffen, die internationalen Schutz suchen, arbeitet die EU verstärkt mit Eritrea, Libyen, dem Sudan und Äthiopien zusammen, um Eritreer daran zu hindern, das Land zu verlassen und durch die Transitländer nach Europa zu gelangen. Der Versuch der EU, durch die Stärkung von Grenzen und die Unterstützung von Haftanstalten außerhalb Europas Migration aufzuhalten, lässt den Menschen keine andere Wahl, als Schlepper zu bezahlen, um Checkpoints zu passieren, Grenzen und Zäune zu überqueren, Gefängnisse zu verlassen und Boote auf dem Mittelmeer zu besteigen.
Jeder Eritreer, den die Teams von Ärzte ohne Grenzen an Bord der Rettungsschiffe im Mittelmeer befragt haben, ist während seiner Flucht selbst Opfer von schwerer Gewalt einschließlich Folter geworden oder musste miterleben, wie anderen Gewalt angetan wurde. Jeder Befragte gab an, dass er auf seiner Route auf irgendeine Art und Weise gefangen gehalten worden war. Mehr als die Hälfte der Befragten hat Mitreisende sterben sehen – meist infolge von Gewalt. Jede von Ärzte ohne Grenzen befragte eritreische Frau ist entweder selbst Opfer sexueller Gewalt geworden, einschließlich Vergewaltigung, oder kennt eine andere Frau, die sexuelle Gewalt erfahren musste.
„Die EU, ihre Mitgliedstaaten und andere Regierungen müssen Eritreern unbedingt die Möglichkeit geben, Schutz und Sicherheit zu finden – ebenso wie allen anderen, die vor Konflikten und Verfolgung fliehen. Grenzkontrollen sollten nicht an unsichere Länder übertragen werden, wo immer diese sein mögen. Finanzielle Hilfsleistungen dürfen nicht davon abhängig gemacht werden, dass Länder Migration verhindern. Menschen, die Schutz suchen, dürfen nicht sich selbst überlassen oder an unsicheren Orten gefangen gehalten werden, so dass ihre einzige Option ist, ihr Leben auf einer gefährlichen Reise zu riskieren. Migrationspolitik sollte Menschen niemals festhalten oder in Gefahren zwingen. Erschreckenderweise tut die gegenwärtige EU-Politik aber genau dieses“, sagt Hehenkamp.