Mehr als 200.000 Menschen droht humanitäre Unterversorgung nach Schließung der Geflüchtetenlager in Dadaab
7. Dezember 2021. In wenigen Monaten sollen die Geflüchtetenlager in Dadaab/Kenia geschlossen werden. Ärzte ohne Grenzen fordert, dass bis dahin dringend nachhaltige Lösungen für die mehr als 200.000 betroffenen Menschen gefunden werden müssen. Zu groß ist die Gefahr, dass diese bald komplett von humanitären Hilfsleistungen abgeschnitten sind.
Die Schließung der Lager ist für Juni 2022 vorgesehen. „Dieser Zeitrahmen ist knapp. Doch er kann auch eine Chance sein, die Suche nach tragfähigen Lösungen für die Geflüchteten schneller voranzutreiben", erklärt Dana Krause, Landeskoordinatorin von Ärzte ohne Grenzen in Kenia. „Im Dadaab-Flüchtlingskomplex, der aus insgesamt drei Lagern besteht, leben vorwiegend Geflüchtete aus Somalia. Viele von ihnen harren seit Jahrzehnten in den Lagern aus. Und jedes Jahr fällt die humanitäre Unterstützung, die sie erhalten, geringer aus. Auch ihre Aussichten auf ein Leben in Würde und Sicherheit sind äußerst begrenzt."
In einem aktuell veröffentlichten Bericht ‘In Search of Dignity’ fordert Ärzte ohne Grenzen die kenianische Regierung und internationale Partner auf, die im „Global Compact on Refugees 2018” eingegangenen Verpflichtungen einzuhalten. Geflüchtete aus Somalia sollen sich demnach in die kenianische Gesellschaft integrieren oder in anderen Ländern Zuflucht finden können. Aus dem Bericht geht hervor, dass in den vergangenen drei Jahren immer weniger Somalier*innen aufgrund zunehmender Gewalt, Vertreibung und Dürre im Land freiwillig in ihre Heimat zurückkehren. Gleichzeitig sind viele wohlhabende Länder kaum gewillt, Menschen aus Somalia aufzunehmen. So müssen sie in Kenia bleiben, wo ihre Rechte stark eingeschränkt sind. Die Geflüchteten in Dadaab dürfen beispielweise nicht außerhalb der Lager arbeiten. Auch Reisen und Studieren ist untersagt.
Jüngst wurde in Kenia ein neues Flüchtlingsgesetz verabschiedet. Es könnte Geflüchteten eine bessere Integration ermöglichen. Dafür müssten die Regelungen jedoch breit implementiert werden und Geflüchtete aus sämtlichen Ländern miteinbeziehen, auch Menschen aus Somalia. Neben der kenianischen Regierung müssen auch die internationalen Geberländer in die Pflicht genommen werden. Allein der Plan, die Lager zu schließen, hat zu einer drastischen Abnahme der humanitären Hilfe geführt. Im September warnte das Welternährungsprogramm, die Verteilung von Lebensmittelrationen bis Ende des Jahres ganz einstellen zu müssen, sollten nicht bald mehr Mittel zur Verfügung stehen. „Wird das Lager geschlossen, ohne dass nachhaltige Lösungen für die Geflüchteten vorliegen, könnte das die nächste humanitäre Katastrophe herbeiführen", sagt Jeroen Matthys, der die Projekte von Ärzte ohne Grenzen im Lager Dagahaley koordiniert.
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Ärzte ohne Grenzen ist seit 30 Jahren in Dadaab tätig und leistet zurzeit medizinische Versorgung im Lager Dagahaley, in dem die Organisation unter anderem ein Krankenhaus mit 100 Betten betreibt.