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Griechenland

Der EU-Türkei-Deal macht krank

Athen/Berlin, 14. März 2017. Das EU-Türkei-Abkommen hat verheerende Auswirkungen auf die Gesundheit von Schutzsuchenden. Zu diesem Ergebnis kommt ein heute von der internationalen Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen vorgestellter Bericht. In den EU-Hotspots auf den griechischen Inseln ist die Zahl der Asylsuchenden mit psychischen Beschwerden stark gestiegen. Die Europäische Union und die Türkei haben das Abkommen am 18. März 2016 geschlossen, am 20. März trat es in Kraft.

„Der EU-Türkei-Deal beeinträchtigt die Gesundheit unserer Patienten direkt. Viele von ihnen sind immer stärker gefährdet“, sagt Jayne Grimes, Psychologin von Ärzte ohne Grenzen auf Samos. „Sie sind vor extremer Gewalt, Folter und Krieg geflohen und haben eine äußerst gefährliche Flucht überlebt. Jetzt werden ihre Ängste und Depressionen verschärft durch die schlechten Lebensbedingungen und dadurch, dass sie keine Informationen über ihren rechtlichen Status erhalten. Sie verlieren jegliche Hoffnung auf eine sichere, bessere Zukunft. Ich treffe oft Menschen, die Selbstmordgedanken haben oder sich selbst verletzen wollen.“

Laut dem Bericht ist die Zahl der Patienten mit Angstsymptomen und Depressionen im psychologischen Programm von Ärzte ohne Grenzen auf der Insel Lesbos im vergangenen Jahr um das Zweieinhalbfache gestiegen. Der Anteil der Patienten mit posttraumatischem Stresssyndrom verdreifachte sich. Symptome von Psychosen traten ebenfalls häufiger auf. Die Teams treffen auch auf mehr Menschen mit schweren Traumata und mit selbstverletzendem Verhalten und registrieren mehr Selbstmordversuche. Auf Samos haben die Teams eine ähnliche Verschlimmerung und ebenfalls mehr Suizidversuche festgestellt.

„Bundeskanzlerin Angela Merkel hat immer wieder behauptet, das Türkei-Abkommen würde  irreguläre zu legaler Migration machen. Die Zahl der regulär in der EU aufgenommenen Flüchtlinge ist aber vernachlässigbar. Menschen auf der Flucht vor Gewalt und Krieg werden heute genauso im Stich gelassen wie vor einem Jahr“, sagt Florian Westphal, Geschäftsführer von Ärzte ohne Grenzen in Deutschland. „Die EU-Verantwortlichen behaupten immer, Menschen zu schützen, indem sie Grenzen sichern. Das ist zynisch. Unsere Teams in Griechenland, auf dem Balkan, in Libyen und auf dem Mittelmeer erleben täglich, wie Menschen unter dieser restriktiven Politik leiden.“

Als Reaktion auf den EU-Türkei-Deal hat Ärzte ohne Grenzen im Juni 2016 entschieden, keine Gelder von der EU und ihren Mitgliedsstaaten mehr anzunehmen. Die Organisation betont, dass das Recht auf Asyl respektiert werden muss und fordert die Staats- und Regierungschefs auf, sichere und legale Fluchtwege durch Umsiedlung, humanitäre Visa und Familienzusammenführung zu schaffen.

Ärzte ohne Grenzen leistet seit 1996 Hilfe für Migranten und Asylsuchende in Griechenland und ist derzeit an mehr als 20 Orten im Land aktiv. Schwerpunkte der Arbeit sind psychologische Betreuung, Mutter-Kind-Gesundheit und die Behandlung chronischer Krankheiten. 2016 haben die Teams in Griechenland 72.740 Konsultationen durchgeführt.

Der Bericht „One Year on From the EU-Turkey Deal: Challenging the EU´s Alternative Facts“ kann hier heruntergeladen werden.