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Italien

Italien: 10.000 Geflüchtete leben unter erbärmlichen Bedingungen

Rom/Berlin, 13. April 2016. In Italien leben mindestens 10.000 Asylbewerber und Flüchtlinge in prekärsten Verhältnissen ohne Unterstützung der Behörden. Das berichtet die internationale Hilfeorganisation Ärzte ohne Grenzen in dem Report „Out of Sight. Asylum seekers and refugees in Italy: informal settlements and social marginalisation“. Die Menschen haben zudem nur sehr begrenzten Zugang zu medizinischer Behandlung.

Für den Bericht haben Mitarbeiter der Organisation im Jahr 2015 Gespräche mit 565 Menschen in 26 inoffiziellen Unterkünften der Geflüchteten geführt. Das Papier beschreibt die erbärmlichen Bedingungen in diesen Unterkünften, die im ganzen Land entstanden sind. Die meisten Geflüchteten sind Asylbewerber und Menschen unter internationalem Schutz, die damit legal in Italien sind. Wegen der Unzulänglichkeiten des italienischen Aufnahmesystems und der sozialen Integrationspolitik leben sie seit Monaten, manchmal Jahren, in diesen Unterkünften: Asylbewerber, die gerade in Italien angekommen sind ebenso wie Flüchtende, die versuchen in andere europäische Länder zu gelangen, und Flüchtlinge, die seit Jahren in Italien leben.

„Wir haben besetzte Gebäude, Armenviertel, Gehöfte, Parks und Bahnhöfe besucht, in ländlichen Gebieten ebenso wie in den Stadtzentren – und die entmutigende Wirklichkeit dokumentiert, die von offizieller Seite ignoriert wird", sagt Giuseppe De Mola von Ärzte ohne Grenzen. „Tausende geflüchtete Männer, Frauen, Kinder leben unter erbärmlichen Bedingungen.“ Ärzte ohne Grenzen besuchte unter anderem das ehemalige olympische Dorf in Turin, in dem mehr als 1.000 Geflüchtete untergebracht sind, sowie das Haus „Don Gallo“ im Zentrum von Padua. Im Süden und Norden Italiens warten Menschen aus Afghanistan und Pakistan monatelang in Bahnhöfen auf ein Asylverfahren. In Bari leben Afrikaner seit dem Jahr 2014 in einer stillgelegten Fabrik, und in Foggia ist auf der Landebahn des Flughafens Borga Mezzanone ein informelles Lager entstanden.

In der Hälfte der besuchten Unterkünfte gibt es weder Trinkwasser noch Strom, und die Bewohner haben wenig oder keinerlei Zugang zu medizinischer Hilfe. Menschen, die darauf warten, zum italienischen Asylsystem zugelassen zu werden, sind von öffentlicher medizinischer Versorgung ausgeschlossen. Von den Geflüchteten, die seit mehreren Jahren in Italien leben, ist ein Drittel nicht im nationalen Gesundheitssystem registriert.

Die offiziellen Aufnahmebedingungen in Italien sind völlig unzureichend. Mehr als 70 Prozent der momentan rund 100.000 Aufnahmeplätze für Geflüchtete sind in Einrichtungen, die als Notfallmaßnahme geöffnet wurden. „Wenn sich nicht unmittelbar und strukturiert etwas ändert, könnte es vielen der 100.000 Menschen, die sich derzeit noch im Aufnahmesystem befinden, und jenen, die in den nächsten Monaten nach Italien kommen werden, ebenso ergehen“, warnt Loris de Filippi, Präsident von Ärzte ohne Grenzen in Italien. Die italienischen Behörden müssen mehr Plätze im Aufnahmesystem schaffen und auch an inoffiziellen Standorten menschenwürdige Lebensbedingungen und die Einhaltung der Menschenrechte für alle gewährleisten, einschließlich des Rechts auf Gesundheitsversorgung.

Ärzte ohne Grenzen arbeitet seit 1999 in Italien und bietet Migranten, Flüchtenden und Asylsuchenden die medizinische Versorgung, die ihnen dem Gesetz nach zusteht. Die Teams helfen Lampedusa und Sizilien, bauen ambulante Kliniken im ganzen Land auf, unterstützen Saisonarbeiter und informieren über die Bedingungen in Aufnahme- und Abschiebezentren.