Modellprojekt für psychosoziale Hilfe für Asylsuchende in Schweinfurt gestartet
Schweinfurt/Berlin, 30. Juni 2017. Die Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen und das Krankenhaus St. Josef haben in Schweinfurt ein Modellprojekt zur psychosozialen Hilfe für Asylsuchende gestartet. Ein Team aus einer Psychologin und geschulten Laienberatern aus dem Kulturkreis der Geflüchteten hilft den Bewohnern der Erstaufnahmeeinrichtung seit März, mit psychischen Belastungen umzugehen. Ärzte ohne Grenzen will damit auch auf die unzureichende psychologische Versorgung von Asylsuchenden in Deutschland hinweisen und Organisationen und Behörden hierzulande anregen, ähnliche Programme zu starten.
„Die Asylsuchenden in Schweinfurt berichten uns, wie sie in Syrien ausgebombt oder in Afghanistan bedroht wurden, wie sie in Somalia Angehörige verloren oder auf der Flucht durch Libyen gefoltert wurden“, sagt Projektleiterin Dr. Henrike Zellmann. „Dazu kommt die Unsicherheit über ihre Zukunft in Deutschland. Die Menschen brauchen Unterstützung, mit diesen Belastungen umzugehen. Leider gibt es dafür in Deutschland zu wenige Angebote, und die Sprachbarriere ist ein großes Problem. In Schweinfurt wollen wir zeigen, dass unser in zahlreichen Flüchtlingslagern weltweit bewährtes Modell psychosozialer Hilfe auch Asylsuchenden in Deutschland helfen kann.“ Zellmann hat 2013 als Psychologin ein ähnliches Projekt für syrische Flüchtlinge im Irak geleitet.
Seit März haben die Psychosozialen Berater der von Ärzte ohne Grenzen und dem Krankenhaus gemeinsam getragenen „Ambulanz für seelische Gesundheit St. Josef“ mehr als 110 Asylsuchende beraten. In Einzelgesprächen und Gruppensitzungen finden sie einen geschützten Raum, um über ihre Belastungen sprechen und damit besser umgehen zu lernen. Die Asylsuchenden leiden unter anderem an Schlafstörungen, Ohnmachtsgefühlen, Wut, Trauer, der Angst um Angehörige und Zukunftsangst, vor allem aufgrund des unsicheren Asylstatus. Die Berater bieten ihre Hilfe auch in der Gemeinschaftsunterkunft in Geldersheim bei Schweinfurt an.
Die Psychosozialen Berater sind selbst vor einiger Zeit aus Syrien, Somalia und dem Iran geflohen. Sie sprechen die Muttersprachen ihrer Klienten und kennen die Situation von Asylsuchenden aus eigener Erfahrung. „Die Geflüchteten bauen so schnell ein Vertrauensverhältnis auf“, so Zellmann. „Wir legen großen Wert auf die Schulung der Laienberater und auf eine umfassende Supervision, so dass sie Anzeichen schwerer psychischer Probleme sofort erkennen und Betroffene umgehend zu mir als klinischer Psychologin bringen.“ Diese Patienten werden an spezialisierte Einrichtungen überwiesen.
„Unsere niederschwellige Hilfe in den Unterkünften vor Ort ist eine Ergänzung zu den wichtigen spezialisierten psychotherapeutischen und psychiatrischen Angeboten“, so Zellmann. „Wir glauben, dass wir diese Einrichtungen zum Teil entlasten können, indem wir psychische Belastungen frühzeitig erkennen und ihnen in einem frühen Stadium entgegenwirken. Wir sehen einen großen Bedarf an psychosozialer Unterstützung und möchten die zuständigen Behörden und die in der Versorgung von Geflüchteten tätigen Organisationen dazu ermuntern, ähnliche Programme zu starten. Wir freuen uns, wenn sich Verantwortliche mit uns in Verbindung setzen.“
Ärzte ohne Grenzen leistet in mehr als 40 Ländern weltweit medizinische Hilfe für Flüchtlinge und Vertriebene. Seit 15 Jahren hat die Organisation auch Projekte für Asylsuchende in Europa, derzeit in Griechenland, Italien, Serbien, Schweden und Belgien, sowie Teams auf zwei Rettungsschiffen im Mittelmeer. Die psychosoziale Hilfe ist dabei eine feste Komponente.