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Nigeria

Vertriebene sterben an Durchfall und Mangelernährung

Abuja/Berlin. In einem Vertriebenenlager im nigerianischen Bundesstaat Borno entwickelt sich derzeit eine humanitäre Katastrophe. Der Gesundheitszustand von mehr als 24.000 in der Stadt Bama Schutzsuchenden verschlechtert sich zunehmend. Seit Ende Mai starben dort mindestens 188 Vertriebene, fast sechs am Tag. Haupttodesursachen sind Durchfallerkrankungen und Mangelernährung.

Am 21. Juni konnte sich ein medizinisches Team von Ärzte ohne Grenzen für mehrere Stunden einen Eindruck der Lage der Vertriebenen in der Stadt Bama im nordöstlichen Nigeria verschaffen. Im dortigen Lager auf einem Krankenhausgelände leben 24.000 Menschen. Von den rund 15.000 Kindern sind etwa 4.500 jünger als fünf Jahre. 16 schwer mangelernährte Kinder, die sich in akuter Lebensgefahr befanden, wurden sofort in das therapeutische Ernährungszentrum in der Hauptstadt Maiduguri überstellt. Eine rasche Erhebung des Ernährungszustandes von mehr als 800 Kindern zeigte, dass 19 Prozent unter akuter schwerer Mangelernährung leiden.

Während der Bedarfserhebung in Bama zählte das Team von Ärzte ohne Grenzen insgesamt 1.233 Gräber in der Nähe des Lagers. Sie wurden alle im vergangenen Jahr ausgehoben. Viele davon, insgesamt 480, sind Kindergräber.

„Bama ist von der Außenwelt weitgehend abgeschnitten“, beschreibt Ghada Hatim, Landeskoordinatorin von Ärzte ohne Grenzen in Nigeria. „Uns wurde erzählt, dass dort Erwachsene und Kinder verhungert sind. Laut den Berichten, die unsere Teams von Vertriebenen hörten, werden täglich neue Gräber ausgehoben. Wir erfuhren, dass an manchen Tagen mehr als 30 Menschen an Hunger und Krankheit gestorben sind.“ Seit 23. Mai sind demnach im Vertriebenenlager mindestens 188 Menschen verstorben – das sind fast sechs Todesfälle am Tag – viele aufgrund von Durchfallerkrankungen und Mangelernährung.

Vom 13. bis 15. Juni veranlassten die nigerianischen Behörden und eine lokale Nichtregierungsorganisation die Evakuierung von 1.192 Menschen, die medizinische Hilfe benötigten, aus der Region Bama nach Maiduguri. Diese Gruppe aus hauptsächlich Frauen und Kindern wurde in einem „Pflegelager“ für Vertriebene untergebracht. Die Teams von Ärzte ohne Grenzen untersuchten dort 466 Kinder: 66 Prozent waren abgemagert, und von diesen litten wiederum 39 Prozent unter einer schweren Form von Mangelernährung. 78 Kinder wurden sofort in das Ernährungszentrum von Ärzte ohne Grenzen überstellt. Dieses hat insgesamt 86 Betten.

Ärzte ohne Grenzen ist seit Mai 2014 in Maiduguri im Bundesstaat Borno tätig. Die Mitarbeiter unterstützen vor Ort zwei Krankenhäuser, zwei Kliniken und zwei Gesundheitszentren in Vertriebenenlagern. Während der vergangenen Monate hat Ärzte ohne Grenzen umfangreiche Aktivitäten gestartet, um in einigen Lagern Trinkwasser bereitzustellen und für akzeptable hygienische Bedingungen zu sorgen. Außerdem wurde ein epidemiologisches Überwachungssystem eingeführt, um bei Bedarf auf den Ausbruch von Krankheiten zu reagieren. Im Jahr 2015 hat Ärzte ohne Grenzen in Borno mehr als 116.000 medizinische Untersuchungen durchgeführt, 1.330 Geburten begleitet und 6.000 mangelernährte Kinder versorgt.