Ukraine: Viele Krankenhäuser brauchen dringend medizinisches Material
Ärzte ohne Grenzen hat damit begonnen, Krankenhäuser in der gesamten Ukraine mit Medikamenten und medizinischem Material zu versorgen. Viele Kliniken berichten, dringend chirurgisches Material zur Behandlung von Verletzten und Medikamente für Patient*innen mit chronischen Erkrankungen zu benötigen. Die Organisation hat bereits Kliniken in Kiew, Mariupol, Kramatorsk und Pokrowsk mit Nachschub versorgt, weitere Lieferungen sind in Kiew und Odessa eingetroffen. In Lwiw wurden Trainings für Krankenhauspersonal organisiert. Ein Team bereitet in Odessa Hilfen für das Gesundheitssystem vor, wo sich die Bevölkerung auf Kampfhandlungen einstellt.
Odessa
„Die Stadt bereitet sich auf einen Angriff und eine Belagerung vor“, sagt Carla Melki, die Odessa gerade als Nothilfekoordinatorin besucht hat. „Mit fast einer Million Einwohnern ist Odessa die drittgrößte Stadt der Ukraine. Hier liegt ein strategisch wichtiger Hafen. Niemand macht sich also irgendwelche Illusionen darüber, was demnächst passieren wird. Alle bereiten sich auf das Schlimmste vor.“
Das Team von Ärzte ohne Grenzen hat in Odessa die Krankenhäuser besucht, in die verwundete Zivilist*innen gebracht werden sollen. Dies sind große, moderne, gut ausgestattete Krankenhäuser, die jedoch keine Routine darin haben, eine große Zahl Verletzter auf einmal zu behandeln.
„Das ist, als würde sich ein Krankenhaus in Frankreich darauf vorbereiten, Kriegsmedizin zu betreiben“, sagt Melki. „Es ist sehr schwierig, so etwas theoretisch anzugehen. Doch die allermeisten Mitarbeitenden des Krankenhauses sind noch da und haben nicht vor zu fliehen. Alle arbeiten hart und stellen sich dem, was auch immer kommen mag.“
Ärzte ohne Grenzen wird die Krankenhäuser in Odessa dabei unterstützen, Verwundete zu versorgen. Teams der Organisation bieten Trainings an sowie Hilfe bei der Triage und Stabilisierung von Patient*innen. Sie denken zudem darüber nach, vorgelagerte Gesundheitsposten einzurichten, in denen wie in einer Notaufnahme Verletzte erstversorgt werden können, bevor sie in Krankenhäuser gebracht werden.
Die Auswirkungen des Krieges auf das ukrainische Gesundheitssystem machen sich bereits bemerkbar, unter anderem in Versorgungsketten und dem Nachschub an Material. In Odessa ist zum Beispiel die Lieferung von warmen Mahlzeiten für die Patient*innen in den Krankenhäusern unterbrochen. Auch einige Medikamente gehen zur Neige, und es ist nicht mehr möglich, sie über die gängigen Kanäle nachzuordern.
Ärzte ohne Grenzen beliefert die Krankenhäuser in Odessa darum mit Medikamenten und medizinischem Material. Eine erste Lieferung ist am 6. März von Rumänien aus in Odessa eingetroffen.
Hilfe von Ärzte ohne Grenzen in der Ukraine
Der Mangel an Medikamenten und Ausrüstung ist in allen Teilen der Ukraine bereits zu einem großen Problem geworden, nicht nur, was die direkten Kriegsfolgen betrifft, sondern auch mit Blick auf Patient*innen, die an chronischen Erkrankungen wie Krebs oder Diabetes leiden. Ärzte ohne Grenzen konzentriert sich deshalb darauf, eine Versorgungskette für medizinisches Material und Medikamente aufzubauen, die die Krankenhäuser mit Nachschub versorgen kann. Gleichzeitig ermitteln Teams den medizinischen Bedarf in allen Gebieten des Landes. Die Mitarbeiter*innen arbeiten mit Hochdruck daran, die Krankenhäuser mit Medikamenten, Material und Trainings zu unterstützen. In den kommenden Tagen könnten zudem chirurgische Teams und medizinische Nothilfeteams der Organisation zum Einsatz kommen. Auch psychologische Hilfe für die Bevölkerung und die Geflüchteten könnte geleistet werden.
Hilfe in den Nachbarländern der Ukraine
Polen
Die Aktivitäten von Ärzte ohne Grenzen in Polen sind bislang noch begrenzt, nicht zuletzt weil die polnische Zivilbevölkerung die Geflüchteten umfassend versorgt. Nothilfeteams sind an der polnisch-ukrainischen Grenze und in anderen Regionen des Landes im Einsatz, um den Bedarf an medizinischer Hilfe zu ermitteln. Nach Angaben des Flüchtlingshilfswerks der Vereinten Nationen sind bisher mehr als eine Million Menschen aus der Ukraine nach Polen geflohen. Die Zahl der täglich ankommenden Menschen steigt weiter. Teams in Polen organisieren von dort aus auch Hilfseinsätze in der Ukraine.
Teams von Ärzte ohne Grenzen haben in fünf Städten (Warschau, Lodz, Breslau, Kattowitz, Krakau), Transitzentren für Geflüchtete wie auch einige Notunterkünfte besucht. Sie berichten etwa von hunderten Menschen, darunter auch Kinder, die auf dem Boden des Krakauer Bahnhofs schlafen. Viele Menschen sind verzweifelt, verwirrt oder desorientiert und wissen nicht, wohin sie als nächstes gehen sollen. Lokale Behörden, Nichtregierungsorganisationen, zivilgesellschaftliche Gruppen und Freiwillige helfen Männern, Frauen und Kindern beim Grenzübertritt und stellen Tee, Suppe und Decken bereit. Ärzte ohne Grenzen hat dem Roten Kreuz in Lublin Hilfsgüter geliefert.
Slowakei
Ein Nothilfeteam von Ärzte ohne Grenzen traf Anfang März in der Slowakei ein. Die meisten ankommenden Flüchtenden sind hier offenbar auf der Durchreise. Nach Gesprächen mit lokalen Behörden und Organisationen sowie dem Besuch einiger Grenzgebiete, bei denen der medizinische und humanitäre Bedarf ermittelt wurde, koordiniert Ärzte ohne Grenzen derzeit mit dem Gesundheitsministerium die Einfuhr medizinischer Hilfsgüter und die künftige Arbeit der Organisation in dem Land.
Auf slowakischer Seite haben die Mitarbeiter*innen derzeit keinen kritischen Bedarf an medizinischer Versorgung, Unterkünften und anderer humanitärer Hilfe feststellen können. Da der Krieg in der Ukraine jedoch weiterhin zur Vertreibung von Menschen führen wird, wird die Situation in der Grenzregion regelmäßig neu von einem Team eingeschätzt, um die lokalen Behörden bei Bedarf unterstützen zu können. Gleichzeitig bereiten sich die Teams auch darauf vor, die medizinisch-humanitäre Situation auf der ukrainischen Seite der Grenze, zu prüfen, beginnend mit der Stadt Uschhorod.
Ungarn
Ein Team in Ungarn ermittelt die Bedürfnisse der Menschen, die die Grenze der Ukraine nach Ungarn überqueren, insbesondere die der vorerkrankten oder besonders gefährdeten Menschen und Gruppen.
Republik Moldau
Ärzte ohne Grenzen hat Teams in den Norden und den Südosten der Republik Moldau entsandt, um die Lage an den Grenzübergängen sowie die Möglichkeiten zur Unterstützung chronisch oder psychisch Kranker zu prüfen. Am Grenzübergang Planaca können Flüchtlinge eine medizinische Grundversorgung erhalten.
Russland
In Südrussland evaluieren Teams der Organisation derzeit, ob Bedarf an medizinischer oder humanitärer Hilfe besteht. Darüber hinaus wurden Lebensmittelspenden, Hygienekits und Medikamente zur Unterstützung der Geflüchteten bereitgestellt. In den Regionen Archangelsk und Wladimir betreibt Ärzte ohne Grenzen seit Längerem in Zusammenarbeit mit den örtlichen Gesundheitsbehörden Projekte für Menschen, die an resistenten Formen der Tuberkulose erkrankt sind.
Belarus
Die Teams von Ärzte ohne Grenzen in Belarus prüfen derzeit, ob zusätzlicher Bedarf an medizinisch-humanitärer Unterstützung in den Grenzgebieten besteht. In Belarus setzt Ärzte ohne Grenzen die reguläre Arbeit fort. Unterstützung erfolgt hier für das nationale Tuberkuloseprogramm und die Hepatitis-C-Behandlung in Gefängnissen. Im Jahr 2021 haben Teams in Belarus Menschen unterstützt, die auf ihrem Weg in die EU in der Grenzregion von Belarus gestrandet waren.
Überblick: Unsere Hilfe in der Ukraine
Angesichts des Krieges leisten wir humanitäre Hilfe. Wir liefern Hilfsgüter, helfen medizinisch sowie psychologisch und evakuieren Patient*innen. Zivilist*innen müssen geschützt werden!