Viele Verletzte nach schweren Kämpfen in Laschkar Gah
In Afghanistan haben die Kämpfe zwischen der afghanischen Armee und den Taliban in den vergangenen Wochen zugenommen und verlagern sich zunehmend in städtische Gebiete wie zum Beispiel Laschkar Gah in der Provinz Helmand. In der vergangenen Woche mussten im von Ärzte ohne Grenzen unterstützten Boost-Krankenhaus in Laschkar Gah deutlich mehr chirurgische Eingriffe vorgenommen werden als zuvor. Allein zwischen dem 29. und 31. Juli haben die Teams von Ärzte ohne Grenzen im Boost-Krankenhaus 70 Kriegsverletzte behandelt.
„Es gab unablässig Schusswechsel, Luftangriffe und Granatenbeschuss“, beschreibt Sarah Leahy, Koordinatorin des Projektes von Ärzte ohne Grenzen in Helmand. „Häuser werden bombardiert und viele Menschen schwer verletzt. An nur einem Tag haben wir im Boost-Krankenhaus zehn Menschen mit Kriegsverletzungen operiert. So viele Operationen an einem Tag hatten wir hier noch nie, und dabei sind wir nicht einmal die Hauptanlaufstelle für chirurgische Fälle. Bis vorletzte Woche haben wir durchschnittlich zwei chirurgische Eingriffe pro Tag gehabt.“
Die meisten chirurgischen Eingriffe werden in einem anderen Krankenhaus in Laschkar Gah vorgenommen, Patient*innen, die dort nicht versorgt werden können, werden an Ärzte ohne Grenzen überwiesen. Seit Anfang Mai hat Ärzte ohne Grenzen insgesamt 482 Kriegsverletzte im Boost-Krankenhaus behandelt, fast alle mit Granaten- und Schussverletzungen. Ein Viertel der Verletzten war minderjährig.
„Die Kämpfe in der Stadt erschweren unsere Aktivitäten“, sagt Leahy. „Unsere Mitarbeitenden leben hier und haben, wie viele andere auch, Angst, ihre Häuser und Wohnungen zu verlassen. Das ist viel zu gefährlich. Das Leben hier steht praktisch still. Einige unserer Kollegen und Kolleginnen bleiben über Nacht im Krankenhaus, denn das ist sicherer und so können sie die Patienten weiter behandeln. Die Situation hier ist seit Monaten schon schwierig, aber jetzt ist sie noch schlimmer geworden.“
Nicht nur der Bedarf an Behandlung von Kriegsverletzungen nimmt infolge der Kämpfe zu. Im Boost-Krankenhaus steigt auch der Bedarf in anderen Bereichen wie der Intensiv-, Kinder- und Neugeborenenmedizin, der Geburtshilfe oder der Behandlung von Mangelernährung. Seit Mai beobachtet Ärzte ohne Grenzen zudem, dass viele Patient*innen, wenn sie ins Krankenhaus kommen, bereits sehr schwer erkrankt sind. Menschen schildern, dass sie gezwungen sind, zu Hause zu warten, bis die Kämpfe nachlassen, oder gefährliche Umwege zu nehmen, obwohl sie medizinische Hilfe brauchen.
„Wir hatten Patienten, die ins Kreuzfeuer geraten waren“, sagt ein Arzt, der in der Notaufnahme und Intensivstation des Boost-Krankenhauses arbeitet. „Obwohl sie eigentlich wegen schwerem Durchfall zu uns kommen wollten, hatten sie zusätzlich eine Kugel in der Schulter oder im Bein, als sie hier ankamen. Der Konflikt führt dazu, dass die Leute zehnmal überlegen, ob sie den Weg wirklich auf sich nehmen wollen. Sie zögern, bis sie nicht mehr warten können; etwa, wenn Familienmitglieder einige Tage lang die Augen nicht mehr geöffnet haben, flach atmen und nicht mehr ansprechbar sind. Aus medizinischer Sicht ist das fast zu spät.“
Ärzte ohne Grenzen ist in Afghanistan in Laschkar Gah, Herat, Kandahar, Khost und Kundus aktiv.