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Ausgesperrt in der Kälte vor den Zäunen der EU

2.000 Flüchtlinge und Migranten sind in Belgrad gestrandet. Sie schlafen bei eisigen Temperaturen um 16 Grad Minus teilweise im Freien und in verlassenen Lagerhäusern. Freiwillige Helfer aus der Bevölkerung werden von den Behörden daran gehindert, Winterkleidung zu verteilen. Ärzte ohne Grenzen behandelt immer mehr Patienten mit Frostbeulen. Unser Mitarbeiter Andrea Contenta schildert die Situation vor Ort. 

Seit Sommer 2016 arbeite ich für Ärzte ohne Grenzen in Serbien. Unsere medizinischen Teams behandeln Flüchtlinge und Migranten, die auf dem Weg nach Mitteleuropa hier gestrandet sind und die sonst keine Gesundheitsversorgung haben. So schlimm wie derzeit war ihre Situation noch nie. Die extreme Abschreckungspolitik der EU gegen Flüchtlinge fällt entlang der Balkanroute mit einem der härtesten Winter der vergangenen Jahre zusammen.

Seit dem Sommer verschärft sich die Situation

Im Sommer wurde Serbien noch für ein Transitland für Flüchtlinge gehalten - es gab einen konstanten Fluss an Menschen, die trotz der offiziell geschlossenen Balkanroute durch Serbien kamen. Der Großteil war mit Schleppern unterwegs, weil es keine legale Alternative gab. Gegen Ende des Sommers begann sich die Situation weiter zu verschärfen. Es schien, als wollten sich die Länder entlang der Balkanroute überbieten, wer die beschwerlichsten und abschreckendsten Methoden einsetzt, um die Menschen aufzuhalten.

Mindestens die Hälfte der Patienten, die wir zu jener Zeit in unseren mobilen Kliniken behandelt haben, haben Gewalt erfahren: Die Verletzungen reichten von Bisswunden durch Polizeihunde über schwere Prellungen bis zu Verletzungen durch den Einsatz von Pfefferspray oder Tasern. Die Menschen haben uns berichtet, dass die Gewalt durch die Grenzbeamten entlang der Route ausging - inklusive Mitarbeitern der EU-Grenzschutzbehörde Frontex. Traurigerweise waren auch Kinder betroffen. Ich erinnere mich gut an ein zweijähriges Kind, dem mit Pfefferspray ins Gesicht gesprüht worden war.

"30 Zentimeter Schnee, und den Menschen fehlt es an Winterkleidung“

Weitere vier Monate sind bis heute vergangen. In Belgrad begann es am 3. Januar zu schneien. Zu jener Zeit schliefen hier rund 1.600 Menschen im Freien, zum Teil in verlassenen Lagerhäusern, und verbrannten, was sie finden konnten, um sich warm zu halten. Gleichzeitig hörten wir Berichte, dass eine junge Somalierin in Bulgarien und zwei Iraker an der Grenze zwischen der Türkei und Bulgarien erfroren waren.

Vorige Woche sind die Temperaturen auf minus 16 Grad gefallen, die Zahl der Gestrandeten in Belgrad hat 2.000 erreicht. Wir haben hier jetzt 30 Zentimeter Schnee, und den Menschen fehlt es an Winterkleidung. Die serbischen Behörden hatten im November begonnen, Helfer aus der Zivilgesellschaft einzuschüchtern, sodass diese etwa die Verteilung von warmer Kleidung einstellen mussten.

Wir haben diese Woche an einem einzigen Tag in Belgrad sieben Menschen mit Frostbeulen behandelt. Diese Verletzungen sind viel schlimmer, als sie sich anhören. Frostbeulen verhindern, dass Blut in die Arme und Beine fließt, die Nerven werden betäubt, in den extremsten Fällen müssten sogar Finger oder Zehen amputiert werden. Die Zahl der Patienten mit Frostbeulen wird wohl in den kommenden Tagen deutlich ansteigen.

Versagen Serbiens und der Europäischen Union

Den Winter können wir nicht beeinflussen. Das wahre Problem ist der fehlende politische Wille, auf die unmittelbare Not dieser gefährdeten Menschen zu reagieren. Dies ist ein Versagen Serbiens und der Europäischen Union. Nach wie vor gibt es keine Möglichkeit für Flüchtende und Migranten, sicher zu reisen.

So zu tun, als wären diese Menschen nicht da, ist keine Lösung. Was auch immer man über das Recht dieser Menschen, nach Europa zu fliehen, denken mag: Sie haben das Recht, als Menschen mit Würde behandelt zu werden. Im Moment werden sie das nicht.