Dschungel von Calais: Unbegleitete Minderjährige sind Leidtragende der Räumung
Während fast 3.000 Erwachsene in den ersten zwei Tagen der Räumung den sogenannten Dschungel verlassen haben, bleiben viele Fragen um das Schicksal der unbegleiteten Minderjährigen offen. Wir konnten am 25. Oktober beobachten, wie die Behörden bei der Registrierung nur anhand einer überhasteten Einschätzung des Aussehens Minderjährige von Erwachsenen getrennt haben. Es wird mehr Wert darauf gelegt, die Räumung zu managen, als Kinder zu schützen und zu versorgen.
In Calais verbrachten etwa 1.100 Minderjährige die vergangene Nacht in Containern im vorläufigen Empfangslager, während Feuer die restlichen Hütten zerstörte. Andere Kinder schliefen im Lager, wo sie nicht sicher vor Erpressungen und Missbrauch sind.
Gestern herrschte Verwirrung: Im gigantischen Transitzentrum, wo die Menschen registriert werden, werden Kinder einzig und allein ihrem Aussehen nach von den Erwachsenen getrennt. „Ich war entsetzt, als ich gesehen habe, wie Teenager nach nur einem Blick in ihr Gesicht zurück zu den Erwachsenen geschickt wurden. Sie wurden nicht befragt, es waren keine Übersetzer da und es gab keine Chance, diese Entscheidung rückgängig zu machen. Das widerspricht völlig den Zusicherungen, die uns vor der Räumung gegeben wurden“, sagt unser Landeskoordinator für Frankreich, Franck Esnee.
Die Minderjährigen erhalten keine Informationen
"Einem Drittel der rund 40 jungen Menschen, die angaben, sie seien minderjährig, erlaubte man nicht, sich in die Warteschlange für Kinder zu stellen. Wieviele Kinder hat man wohl in den vergangenen zwei Tagen abgewiesen oder zusammen mit den Erwachsenen in die Erstaufnahmezentren geschickt ?", so Esnee.
Einige Minderjährige, die von uns betreut werden, sagen, man habe sie abgewiesen, weil sie keine Papiere mit sich führen, aus denen ihr Alter hervorgeht. Es ist schlichtweg inakzeptabel, wenn über junge Menschen, die monatelang fern ihrer Heimat unterwegs gewesen und nun erschöpft sind, nur nach dem äußeren Anschein geurteilt wird.
Zu diesen Versäumnissen kommt der Mangel an Aufklärung: Eine Woche vor Räumung des Lagers hatte man die Minderjährigen immer noch nicht ausreichend informiert. Gemeinsam mit der britischen Hilfsorganisation Refugee Youth Service haben wir vor drei Monaten ein Empfangszentrum für unbegleitete ausländische Minderjährige (CAMIE) eröffnet. Dort hören wir von den Schwierigkeiten dutzender Jugendlicher, die gezwungen sind, eine Organisation nach der anderen abzuklappern, um verlässliche und eindeutige Informationen zu erhalten, z.B. wo sie in einer Woche schlafen werden.
Was wird aus den unbegleiteten Minderjährigen, die weiterhin nach Frankreich kommen
Außerdem hat man das Schnellverfahren zur Zusammenführung von Kindern und Familien in Großbritannien immer noch nicht an die individuellen Problemlagen der betroffenen Minderjährigen angepasst. "Wir helfen einem tauben Kind, dessen erwachsener Bruder dabei als Übersetzer fungiert. Wenn das Kind nun zu seiner Familie nach England geht, bleibt der junge Mann auf sich allein gestellt in Frankreich zurück, wo er niemanden kennt", sagt unser Manager Grégoire Bonhomme.
Mehrere hundert Kinder aus dem Dschungel von Calais könnten bald den Kanal überqueren. Doch was wird aus den unbegleiteten Minderjährigen, die in der Hoffnung, sich Verwandten in Großbritannien anschließen zu können, weiterhin nach Frankreich kommen?