Geburt im Regenwald – unterwegs auf einer der gefährlichsten Fluchtrouten weltweit
Ein Leben, zwei Mal Flucht: Mimi und Paty - er Ingenieur für Elektromechanik, sie Professorin für Islamische Theologie – sind ein Ehepaar. Ursprünglich kommen sie aus der Demokratischen Republik Kongo, mussten das Land aber verlassen, weil sie von ethnischer Gewalt betroffen waren. Bis nach Brasilien führte sie ihr Weg, wo sie sich in Sao Paolo eine neue Existenz aufgebaut hatten. Bis sie erneut aufbrechen mussten. Diesmal in Richtung Norden, auf der fast einzig möglichen Route, durch den gefährlichen Darién-Regenwald zwischen Kolumbien und Panama. Was es bedeutet, in dieser lebensfeindlichen Umgebung unterwegs zu sein, ist kaum vorstellbar.
Im Jahr 2021 verzeichnete Panama so viele Migrant*innen wie noch nie - rund 134.000. Eine Steigerung von mehr als 1.400 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Unter ihnen befinden sich Menschen aus den verschiedensten Ländern dieser Welt: aus Haiti, Bangladesch, Usbekistan oder auch aus der Demokratischen Republik Kongo. Die meisten von ihnen hatten sich zuvor in südamerikanischen Ländern wie Brasilien und Chile niedergelassen. Aufgrund deren zunehmend einwanderungsfeindlicher Landespolitik sowie der durch die COVID-19-Pandemie verursachten Wirtschaftskrise sind sie nun erneut auf der Suche nach Sicherheit – so auch Paty und Mimi.
Hochschwanger durch den Regenwald
Mit ihrem dreijährigen Sohn entschied das Ehepaar sich für einen erneuten Aufbruch in Richtung USA oder Kanada. Ihre Hoffnung: Dort Arbeit zu finden. Als sie aufbrachen, war Mimi hochschwanger mit ihrem zweiten Kind. Ihr Weg führte sie von Brasilien durch Peru, Ecuador und Kolumbien. Als sie den kolumbianischen Teil des Darién-Regenwaldes erreichten, gelang es ihnen, einen Führer anzuheuern und auszuhandeln, dass Mimi einen Teil des Weges auf einem Pferd zurücklegen konnte.
Die Angreifer ließen uns mit nichts zurück
"Am vierten Tag, zwischen dem ersten und zweiten Berg, wurden wir überfallen", erzählt Mimi. Es waren fünf Angreifer, bewaffnet mit Gewehren und Macheten. "Sie griffen uns auf dem Weg an und ich fiel dabei vom Pferd. Ich dachte, das Baby sei verletzt worden." Sie wurden mit vorgehaltener Waffe ausgeraubt: "Geld, Handys, Papiere, Lebensmittel, Taschen - sie ließen uns mit nichts zurück", sagt Mimi.
Eine der gefährlichsten Fluchtrouten der Welt
Der Darién-Regenwald ist für Tausende Migrant*innen zur einzig möglichen Fluchtroute nach Norden geworden. Die Strecke ist ein 97 Kilometer langer, straßenloser Dschungelstreifen und der einzige Landweg zwischen Süd- und Mittelamerika. Die meisten Flüchtenden kommen in Bajo Chiquito an, wo unsere Teams gemeinsam mit dem panamaischen Gesundheitsministerium die Menschen versorgen. Viele berichten von Überfällen, fehlendem Trinkwasser und Mangel an Lebensmitteln. Sie erzählen von unsicheren Wegen und von Verletzten, die keine Kraft mehr hätten, weiterzugehen.
Paty übernimmt das Erzählen der Geschichte: "Unsere kleine Familie und ein weiteres Paar wurden von der restlichen Gruppe zurückgelassen. Wir liefen sieben Tage lang durch den Wald: Wir überquerten Berge, durchkreuzten Ebenen und überquerten Flüsse. Irgendwann konnte meine Frau einfach nicht mehr weiter. Sie hatte starke Schmerzen im Bauch. Wir blieben in der Nähe eines Flusses und es wurde Nacht. Am 24. Februar wurde dort dann unser Baby geboren. Das Ehepaar, das bei uns war, half bei der Entbindung: Wir durchtrennten gemeinsam die Nabelschnur mit einer Rasierklinge. Ich bin anschließend mit unserem dreijährigen Sohn sofort los, um Hilfe zu suchen. Wir liefen drei Stunden lang und konnten schließlich einige Soldaten des nationaler Grenzdienstes alarmieren. Dank ihnen konnten wir alle den Regenwald verlassen. Meine Frau und das Baby wurden mit einem Hubschrauber ins Krankenhaus gebracht. Wir sind dem Grenzschutz sehr dankbar für sein Handeln."
Mimi und Paty, ihr dreijähriger Sohn sowie das Neugeborene wurden von unserem Team in Panama, in San Vicente betreut. Am 11. März setzten sie ihre Reise nach Norden fort. Auf die Frage, wohin sie unterwegs sind, antwortet Mimi: "Wo immer wir Arbeit finden können. Die USA oder Kanada wären unser Ziel, unser Ideal, aber in Wirklichkeit gehen wir einfach nur dorthin, wo wir unser Leben weiterführen können."