Covid-19 in einem von Gewalt und Angst geprägten Land
Auch in El Salvador treffen die Auswirkungen der Coronavirus-Pandemie vor allem Menschen, die in prekären Verhältnissen leben. Dies trifft besonders diejenigen in Gebieten mit hohen Gewaltraten und jene Menschen, die aus den USA oder Mexiko abgeschoben wurden und nun in Quarantänestationen festgehalten werden. Ihr Zugang zu medizinischer Versorgung ist stark eingeschränkt, während viele zugleich keine Möglichkeiten haben Hygiene- und Abstandsregelungen zur Prävention einzuhalten.
Salvadorianer*innen, die in Nachbarschaften leben, die von Gewalt und Bandenkriminalität geprägt sind, haben es auch ohne die Bedrohung durch einen Covid-19-Ausbruch schon schwer. Ihre Gemeinschaften werden von einem Großteil der salvadorianischen Gesellschaft stigmatisiert, da die Gebiete, in denen sie leben, als gefährlich gelten. Immer wieder kommt es zu Konflikten zwischen kriminellen Banden und Sicherheitskräften, so dass zahlreiche Gebiete auch für Rettungssanitäter*innen nicht oder nur schwer zugänglich, sogenannte „rote Zonen“, sind. Die Bewohner*innen, haben daher kaum Zugang zu medizinischer Versorgung, ganz gleich, ob es sich um allgemeine Erkrankungen, medizinische Notfälle, Menschen mit psychischen Erkrankungen oder um einen Covid-19-Verdacht handelt.
Hilfe in „roten Zonen“
Erschwerend kommt nun hinzu, dass die Bevölkerung in einigen Gebieten um Hilfe bei der Nahrungsmittelversorgung bittet, da der Zugang zu Lebensmitteln während des Lockdowns stark beeinträchtigt ist. Einige Gegenden haben keinen regelmäßigen Zugang zu sauberem Wasser – einer unverzichtbaren Ressource, um die Ausbreitung von Covid-19 zu verhindern.
Unsere Teams werden in den Nachbarschaften jedoch akzeptiert und haben in den von Gewalt betroffene Orten Soyapango, Ilopango und San Salvador die Aktivitäten an den Kontext der Pandemie angepasst. Zur Unterstützung des medizinischen Notfallsystems in Soyapango und Ilopango bieten wir weiterhin ambulante Notfalltransporte an. Zudem konnten wir einen weiteren Krankenwagen bereitstellen, um zusätzliche Gebiete abzudecken. Die Basisgesundheitsversorgung durch mobile Kliniken in Soyapango und San Salvador wird fortgesetzt und so ausgerichtet, dass die strengen Präventions- und Infektionskontrollmaßnahmen eingehalten werden können. Zudem wurden Gesundheitsberater*innen für die neue Situation geschult und in Zusammenarbeit mit dem Gesundheitsministerium die Nachsorge von Patient*innen mit Covid-19-Verdacht vorbereitet.
Zurück aus dem Norden
Aus den USA oder Mexiko deportierte Salvadorianer*innen werden in von der Regierung eigens errichteten Deportationszentren unter Quarantäne gestellt und dort auch medizinisch versorgt. Gleichzeitig haben sie jedoch enorme Angst vor der weiterhin herrschenden Gewalt, die sie überhaupt erst zur Flucht in den Norden gezwungen hat. Wir bieten diesen Menschen psychosoziale Beratung an, da einige von ihnen Anzeichen von Depressionen und Angstzuständen zeigen. Wenn ihre 30-tägige Quarantäne vorbei ist, stehen die meisten vor unsicheren Lebensperspektiven - in einem Land im Lockdown.
Die Bedingungen in den Deportationszentren unterscheiden sich deutlich von denen in den Quarantänezentren, wo Menschen untergebracht werden, die auf dem Landweg oder mit kommerziellen Flügen nach El Salvador eingereist sind. Diese Personen werden meist in Hotels untergebracht, wo bedeutend bessere Bedingungen herrschen. Anders als in anderen Quarantänestationen sind in den Haftanstalten Sicherheitsmaßnahmen wie Abstandhalten und individuelle Präventionsmaßnahmen nicht immer möglich.
„Die Gewalt und die Angst sind immer noch da!“
"Es ist verständlich und logisch, dass der Fokus der Gesundheitsbehörden und anderer Stellen auf die Pandemie gerichtet ist, aber Unterschiede in der Behandlung von Menschen in Quarantäne- oder Haftanstalten müssen berücksichtigt werden", sagt Stéphane Foulon, unser Einsatzleiter in El Salvador. "Medizinische Notfälle und andere Erkrankungen machen während einer Krise keine Pause, und wir als medizinische Organisation müssen den Zugang zur medizinischen Versorgung sicherstellen, sowohl für Patienten mit Covid-19 als auch für solche mit anderen Krankheiten.“
Vor Kurzem haben wir daher auch die Aussetzung der Abschiebungen aus den USA und Mexiko gefordert. „Die Gewalt und die Angst, die viele Menschen zur Migration zwingen, sind immer noch da“, fügt Foulon hinzu. Wir bieten daher in den staatlichen Einrichtungen für Deportierte psychosoziale Unterstützung an. „Die Menschen haben Angst davor, nach El Salvador zurückzukehren und die Deportationszentren zu verlassen, weil die Bedrohungen immer noch präsent sind. Die Zustände in den Zentren können zwar verbessert werden, doch die Unsicherheit der Menschen darüber, wie ihr Leben aussehen wird, wenn sie die Zentren verlassen, bleibt".