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Gelbfieber: „Alle müssen aufmerksam und reaktionsfähig bleiben, um eine explosionsartige Ausbreitung zu vermeiden“

Ein Gelbfieber-Ausbruch wütet seit Dezember 2015 in Angola. Mittlerweile gibt es auch in der Demokratischen Republik Kongo mehrere Fälle und es wird befürchtet, dass sich die Krankheit auf andere afrikanische oder gar asiatische Länder ausbreitet. Die begrenzten Impfstoffvorräte bedeuten eine besondere Herausforderung. Michael Van Herp arbeitet als Epidemiologe für Ärzte ohne Grenzen und erklärt die aktuelle Situation.

Was sind die Charakteristika von Gelbfieber?

Die Krankheit wird durch ein Virus ausgelöst und wird als hämorrhagisches (d.h. Blutungen auslösendes) Fieber bezeichnet. Das Virus wird von der Aedes-Mücke übertragen. Nach einer kurzen Inkubationszeit kann die infizierte Person leichte Symptome aufweisen, die man auch bei den meisten Virusinfektionen (wie Grippe) oder bei Malaria beobachten kann. Manchmal zeigen die Patienten überhaupt keine Symptome und nichts weiter passiert. Aber bei manchen tritt eine zweite Phase der Erkrankung auf. Sie wird als „gelbe Phase“ bezeichnet, weil die Leber betroffen ist. Diese Phase kann hohes Fieber und innere Blutungen auslösen. In dieser zweiten Phase kann die Sterberate bei 25 bis 30 Prozent liegen.

Welche Möglichkeiten gibt es aus medizinischer Sicht, um die Krankheit zu bekämpfen?

Gelbfieber hat zum Ende des 19. und zu Beginn des 20. Jahrhundert in vielen Regionen der Erde Chaos angerichtet. Dann konnte durch Forschung  eine hocheffiziente Impfung entwickelt werden. Systematische Impfungen wurden durchgeführt und haben die Zahl der Epidemien deutlich reduziert. Aber zum Ende des 20. Jahrhunderts rutschten diese systematischen Impfkampagnen für bestimmte afrikanische Länder auf der Prioritätenliste nach hinten. Und das führte wiederum zu neuen Epidemien, wie beispielsweise 2000 in Guinea. Angesichts des Impfstoffmangels auf dem Markt wurde eine internationale Koordinationsgruppe aufgestellt, um den strategischen Vorrat von sechs Millionen Impfeinheiten pro Jahr zu verwalten – besonders, um im Fall einer Epidemie reaktionsfähig zu sein.

Für Gelbfieber gibt es keine spezifische Behandlung. Derzeit können nur die Symptome des Patienten behandelt werden, was dem Körper dabei hilft, die Krankheit zu überstehen. Wenn das Virus während der zweiten Phase verschwindet und der Patient nicht mehr ansteckend ist, geht es vor allem darum, die Leberfunktion zu erhalten und ein Absterben der Leber (Nekrotisierung) zu verhindern.

Was ist an dem Ausbruch in Angola Anfang dieses Jahres ungewöhnlich?

In der Vergangenheit haben sich Epidemien in Wäldern oder an Wasserstellen entwickelt. In Angola hat der Ausbruch in der Hauptstadt Luanda begonnen, die jahrzehntelang verschont geblieben war und wo es keine Moskitos gab, die die Krankheit übertrugen. Wahrscheinlich wurde die Krankheit von einer Person, die sich im Wald angesteckt hatte, dorthin gebracht. Die Krankheit begann mit einer begrenzten Anzahl von infizierten Personen und Moskitos. Dann breitete sich die Epidemie aber auf einen sehr belebten Markt aus, der von Menschen aus der ganzen Stadt besucht wird - auf diese Weise verbreitete sich das Virus leicht weiter. Bis das entdeckt wurde und man bereit war zu reagieren, war die Anzahl der infizierten Menschen und damit die Anzahl der infizierten Moskitos bereits deutlich gestiegen. Die Epidemie griff dann auf die Provinzen über und verbreitete sich durch Reisende bis nach China, Kenia und später auch in die Demokratische Republik Kongo.

Wie hoch ist das Risiko, dass der Ausbruch in Angola auf weitere Länder überspringt?

Das ist schwer vorherzusagen, da verschiedene Faktoren eine Rolle spielen. Befindet sich die reisende Person in einer ansteckenden Phase der Krankheit? Gibt es Moskitos in der Region? In Peking zum Beispiel kam der infizierte Reisende im Winter an, als es dort keine Moskitos gab. Zudem muss die Mücke, die eine Person sticht, selbst an dem Virus erkranken, das ist jedoch nicht automatisch der Fall. Und auch die Übertragung durch die Eier infizierter Moskitos passiert nicht automatisch.

Bevor es zu einem explosiven Ausbruch der Krankheit kommt, verbreitet sie sich zunächst langsam, insbesondere, da der Überträger ein träger Moskito ist, der sich nicht sehr weit fortbewegt. Es ist daher die Mobilität der Menschen, die für die Verbreitung der Krankheit innerhalb eines Landes verantwortlich ist. Es müssen deshalb schon während der frühen Phase des allmählichen Anstiegs der Fallzahlen Maßnahmen eingeleitet werden, wie wir es nun im Kongo tun. Dort kombinieren wir Impfkampagnen mit Vektorkontrolle (der Bekämpfung der Mücke, die die Krankheit überträgt), beispielsweise gegen Moskitos und ihre Larven. Wenn sich ein Fall bestätigt, müssen wir den Bezirk, aus dem der oder die Erkrankte kommt, bestimmen. Dort führen wir dann Impfungen und  - im Umkreis von 150 Metern – Maßnahmen zur Vektorkontrolle durch.

Besteht das Risiko massiver Ausbrüche in anderen afrikanischen Ländern oder in Asien, wo Gelbfieber bisher zwar nicht aufgetreten ist, die Aedes-Mücke aber vorkommt?

Es ist in jedem Fall wichtig, dieses Risiko in Erwägung zu ziehen. Als Vorsichtsmaßnahme müssen wir ein Worst-Case-Szenario durchspielen, um jegliche Schwächen oder Hindernisse zu finden. Das gilt insbesondere für die Produktion von Impfstoffen. Der Gelbfieberimpfstoff ist sehr schwierig herzustellen. Er muss die meiste Zeit nicht in großen Mengen produziert werden. Der Reserve-Bestand von sechs Millionen Dosen wurde in Angola nun verbraucht. Aber wir konnten den Bestand wieder auffüllen: Einige Impfdosen kauften wir auf dem freien Markt, andere wurden uns gespendet, weitere haben wir aus dem Bestand für geplante breitere Impfkampagnen genommen. Eine weitere Möglichkeit ist es, die Verwendung geteilter Impfstoffdosen zu erforschen. Eine Studie mit einem Typus des Impfstoffs hat gezeigt, dass die Dosen auch dann noch immun machen, wenn man sie in fünf unterteilt und damit fünf Personen impft. Allerdings muss noch erforscht werden, wie lang die Immunisierung mit einer solchen geringeren Dosierung anhält.

Ein explosiver Ausbruch der Krankheit kann nur durch Fahrlässigkeit zustande kommen. Er ist vollkommen vermeidbar: durch kontinuierliche Anstrengungen, Wachsamkeit, Kontrollen und Reaktionsfähigkeit, immer wenn ein neuer Fall auftritt.

Seit Mitte Februar 2015 arbeitet Ärzte ohne Grenzen mit dem Gesundheitsministerium in Angola zusammen. Neben der Unterstützung im Umgang mit Gelbfieber werden sowohl in der Hauptstadt Luanda als auch in den Provinzen Huambo, Huila und Benguela Patienten gegen Gelbfieber behandelt. In Angola sind bislang 2.420 Fälle (davon 298 Todesfälle) mit dem Verdacht auf Gelbfieber aufgetreten, von denen 736 bestätigt werden konnten.