Idomeni: Gestrandet und gefangen in einer unhaltbaren humanitären Situation
Die Serpentinenstraße, die sich nahe des griechischen Ortes Idomeni durch Weizenfelder schlängelt, ist voller Menschen. Viele tragen große Taschen auf den Schultern und Babys im Arm. Doch aus dem Menschenstrom, der selbst bei Nacht nicht abreißt, können bei Tag kaum mehr als 150 Menschen ihre Reise fortsetzen. Lediglich Syrer und Iraker, die das Glück haben, einen Pass oder einen Ausweis aus ihrem Heimatland zu besitzen, dürfen die Grenze nach Mazedonien überqueren und weiter nach West- und Nord-Europa reisen. Nur einige wenige gehen also von dort wieder weg, während täglich mehr Menschen hinzukommen. Von 27. Februar bis zum 1. März führten unsere Teams 756 medizinische Konsultationen in Idomeni durch. Die Mehrzahl der Patienten sind Frauen und Kinder unter fünf Jahren. Viele von ihnen haben Atemwegsinfektionen und Magen-Darmerkrankungen, weil sie unangemessen untergebracht sind, sich bei Kälte im Freien aufhalten müssen und es an Wasser- und Sanitäreinrichtungen mangelt.
Ihre Reise endet in Idomeni. Sie sind gestrandet und gefangen in einer unhaltbaren humanitären Situation. In dem Transitlager, das ursprünglich für 1.500 Menschen errichtet wurde, sind inzwischen 11.000 Menschen angekommen. Sie sind dort gefangen und werden ohne Informationen gelassen. Sie haben Angst, machen sich Illusionen und sind verwirrt.
Unter den Flüchtlingen im Camp von Idomeni gibt es auch viele Familien. Piman hat in Syrien als Englischlehrer gearbeitet, bevor er sein Land verließ. Er ist bereits seit zwei Monaten auf der Straße unterwegs: „Ich bin mit meiner Familie hier, wir schlafen in Zelten. Wir hätten niemals gedacht, dass die Situation so schrecklich wird. Als wir unsere Stadt verließen, wollten meine Kinder ihr Spielzeug und ihre Bücher mitnehmen. Ich sagte ihnen, dass sie sich keine Sorgen machen müssen, wir bekommen neue Spielsachen in unserem neuen Haus. Seither fragen sie mich, wo unser neues Haus ist.”
Im Lager in Idomeni bleibt die Situation extrem chaotisch
Daniela arbeitet in Idomeni als Krankenschwester für Ärzte ohne Grenzen und beschreibt die Situation: „Es gibt viel Verwirrung, Stress und einen Mangel an zuverlässigen Informationen. Die Wut wächst. Viele Menschen sind seit mehr als zehn Tagen hier, die Leute sind sehr erschöpft.”
In dem Gesundheitszentrum, das Ärzte ohne Grenzen in Idomeni betreibt, kommen jeden Tag Familien, schwangere Frauen und Kinder an. Ebenso behinderte und ältere Menschen, die an chronischen Krankheiten leiden. Menschen sind gezwungen draußen in der Kälte zu schlafen, auch Babys und ältere Menschen. Dabei soll sie nur ein Schlafsack warm halten. Die großen Zelte, die von uns zur Verfügung gestellt wurden, sind seit Tagen voll. Hunderte kleiner Zelte sind überall verteilt, auch nahe der Bahngleise. Der 24-jährige Omar, ein palästinensischer Flüchtling aus Homs in Syrien, ist erschöpft: „Das macht mich sehr nervös, ich weiß nicht, was passieren wird. Dieses Warten bringt mich um. Wir fühlen uns hier ignoriert."
“Ich möchte einen Ort finden, an dem ich meinen Sohn großziehen kann”
“Ich bin seit einer Woche hier und habe keine Ahnung, wie lange ich hier noch bleiben muss. Die Grenze ist geschlossen, und man erlaubt uns nicht sie zu passieren. Hier im Camp kann man unmöglich bleiben. Es ist schrecklich. Ich möchte einen sicheren Weg finden, weiterzureisen. Ich möchte einen Ort finden, an dem ich meinen Sohn großziehen kann. Helfen Sie uns, eine sichere Route zu finden”, wiederholt Mustafa, ein Flüchtling aus Nord-Syrien. Er kam mit seiner Frau Zuzan und zwei jungen Cousins in Idomeni an. Er gehört zu ungefähr Hundert Menschen, die zumindest das “Glück” haben, in einem Bett übernachten zu können. Andere Familien sind bei zu großer Kälte nachts draußen, auf dem Gelände eines matschigen Zeltplatzes.
Während sie darauf warten, passieren zu können, verbringen ganze Familien die Nacht am improvisierten Feuerplatz, um warm zu bleiben. Rula, eine 30-jährige Frau aus Aleppo, bringt zu dieser Zeit im griechischen Krankenhaus in Polykastro gerade ihren zweiten Sohn zur Welt. Sie nennt ihn Abdulrahmane. Sie kam hochschwanger in Idomeni an, gemeinsam mit ihrem Ehemann Fahad und ihren einjährigen Sohn Oman. Während sie sich in unserem Gesundheitszentrum befand, platze ihre Fruchtblase, und unser Team brachte sie ins Krankenhaus.