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Hilfsgüter erreichen Krankenhäuser in Tais

Gewalt, Bombardements und wiederholte Angriffe auf medizinische Einrichtungen halten im Jemen weiter an. Fünf Monate lang verhandelte Ärzte ohne Grenzen intensiv mit den Behörden, bis es Ende vergangener Woche endlich soweit war: Zwei voll beladene Lkw konnten lebenswichtige medizinische Hilfsgüter in das belagerte Gebiet der Stadt Tais im Süden des Landes liefern.

Schon seit August wurden die humanitären Helfer durch Checkpoints und intensive Kämpfe daran gehindert, das belagerte Gebiet zu erreichen. Damals wurden die letzten medizinischen Materialien an dortige Krankenhäuser geliefert. Die massiven Engpässe führten seitdem dazu, dass in mehreren Fällen die Versorgung von Verletzten sowie chirurgische Eingriffe gestoppt werden mussten.

Material für lebensrettende Operationen

„Wir sind sehr froh darüber, dass wir es endlich geschafft haben, medizinisches Material in die Krankenhäuser dieser belagerten Region zu bringen, wo viele Patienten mit Kriegsverletzungen eingeliefert werden”, so Karline Kleijer, die unsere Nothilfe im Jemen leitet. „Es geht hier um essentielle medizinische Güter – darunter Antibiotika, Narkosemittel, Transfusionen, Fäden für Wundnähte oder Thoraxdrainagen. Nur mit diesem Material können lebensrettende Operationen durchgeführt werden.“

Für die jemenitische Bevölkerung, die in diesem dicht besiedelten Belagerungsgebiet lebt, wird es außerdem immer schwieriger, an Nahrung, Trinkwasser und Treibstoff zu kommen: „Ein großer Teil der Menschen hier in Tais wurde innerhalb ihrer Stadt vertrieben“, erklärt Kleijer. „Sie kämpfen tagtäglich um ihr Leben, kämpfen um ausreichend Essen und Wasser – weil grundlegende Bedarfsgüter massiv teurer wurden und die Unsicherheit weiter anhält.“

Mehr als 5.000 Kriegsverletzte versorgt

Ein Team von Ärzte ohne Grenzen war seit Mai 2015 in Tais tätig und leistete medizinische Hilfe für Opfer der anhaltenden Kämpfe, unabhängig von ihrer politischen Zugehörigkeit. „Alleine in Tais haben wir bisher mehr als 5.300 Kriegsverletzte versorgt. Doch in den vergangenen Monaten war der Zugang mit medizinischen Gütern zu dieser Enklave innerhalb der Stadt schlichtweg unmöglich.“

Tagtäglich wird Tais von Luftangriffen getroffen, und die Bevölkerung lebt mit der Angst vor Heckenschützen, Querschlägern und Mörsergranaten, die willkürlich von beiden Kampfgruppen eingesetzt werden. Für Verletzte ist es aufgrund der Kämpfe schwierig, Kliniken und Krankenhäuser zu erreichen. Auch ist es problematisch, Frontlinien zu überqueren, und es gibt wegen des Mangels an Treibstoff kaum Transportmöglichkeiten. Früher gab es in Tais 20 Krankenhäuser für die rund 600.000 Einwohnerinnen und Einwohner; heute sind nur noch sechs davon funktionsfähig-  mit starken Einschränkungen. Eine medizinische Grundversorgung wird von Fachkräften hauptsächlich zuhause bei den Menschen angeboten.

Angriffe auf medizinische Einrichtungen

Darüber hinaus werden medizinische Einrichtungen in Tais und anderen Teilen des Landes bei Luftangriffen und Bombardements anvisiert oder getroffen. Erst am 10. Januar traf eine Rakete das von Ärzte ohne Grenzen unterstützte Al-Shiara Krankenhaus in Razeh im Norden des Landes – dabei kamen sechs Menschen ums Leben, acht wurden verletzt.

„Auch in Kriegszeiten haben die Menschen ein Recht auf medizinische Hilfe. Die Bevölkerung von der Gesundheitsversorgung abzuschneiden sollte niemals als militärisches Werkzeug eingesetzt werden. Es sind gute Nachrichten für die Menschen in diesem Gebiet der Stadt, dass der Nachschub an lebenswichtigen Gütern endlich bis zu ihnen gelangen konnte“, so Karline. „Wir fordern weiterhin alle Konfliktparteien dazu auf, das Leiden der Menschen im Jemen zu verringern und weiterhin zu erlauben, dass medizinisches Material und Hilfsgüter wie Nahrung und Treibstoff alle schwer betroffenen Gebiete des Landes erreichen können.“

Im Jemen ist Ärzte ohne Grenzen in Sa’ada, Aden, Sana’a, Al-Dhale’, Amran, Tais, Hadscha und Ibb tätig. Seit Anfang 2015 haben die Teams 88.000 Notfall-Patientinnen und Patienten versorgt, 20.000 Kriegsverletzte behandelt, 11.000 operative Eingriffe durchgeführt, 5.000 Geburten begleitet und 10.000 Erwachsene und Kinder stationär betreut.