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Militärangriff in Nigeria: „Ich finde kaum Worte, um zu beschreiben, was sich abgespielt hat“

Am Dienstag bombardierte die nigerianische Luftwaffe ein Lager mit rund 25.000 Vertriebenen im Nordosten des eigenen Landes. Alfred Davies ist Koordinator von Ärzte ohne Grenzen und war zur Zeit des Luftangriffs in Rann und in den Stunden danach mit der Erstversorgung der Verletzten beschäftigt. Sein Augenzeugenbericht:

„Die erste Bombe fiel zur Mittagszeit gegen 12.30 Uhr und schlug nur wenige Meter vom Büro des Roten Kreuz entfernt ein. Das Flugzeug flog eine Runde und ließ fünf Minuten später eine zweite Bombe fallen.

Ich habe sofort den Rest unseres Teams über Funk kontaktiert und sie haben mir versichert, dass zum Glück keine Kollegen verletzt worden waren. Wir trafen uns bei den Zelten, die wir wenige Tage zuvor errichtet hatten.

Dutzende Verwundete strömten herein, und der Menschenstrom hielt für Stunden an. Ich finde keine Worte, um das Chaos zu beschreiben, das herrschte. Manche hatten Knochenbrüche, große Fleischwunden, innere Organe lagen frei. Ich habe Kinderkörper gesehen, die in zwei Hälften gerissen waren.

 

Die Zelte waren voller Verwundeter, es gab kaum Raum sich zu bewegen. Viele Menschen waren auch draußen, lagen auf Matten unter Bäumen.

Es waren nur ein Arzt und eine Krankenschwester in unserem Team, aber alle von uns taten was sie konnten. Sogar die Fahrer halfen aus. Wir arbeiteten gemeinsam mit den Kollegen vom Roten Kreuz und Krankenschwestern der nigerianischen Armee.

Ich hab das Flugzeug nicht genau gesehen und weiß auch nicht, welche Art von Bombe es war. Wir haben kleine Metallteile in den Körpern gefunden. Was ich gesehen habe lässt sich kaum beschreiben. Im Laufe der ersten Stunde zählten wir 52 Tote.

Ich denke, dass unsere Verteilung von Hilfsgütern wie Matten und Decken an diesem Tag vielen Menschen das Leben gerettet hat. Die Menschen hatten sich angestellt, um die Hilfsgüter abzuholen und waren daher zur Zeit des Angriffs nicht im Zentrum des Lagers. So sind viele den Bomben entkommen.

Am schwierigsten war für unser Team, dass wir nicht noch mehr Ressourcen oder medizinische Geräte hatten, um mehr von den Verwundeten zu retten. Ein Dutzend Menschen ist vor unseren Augen gestorben, ohne die medizinische Hilfe zu bekommen, die sie so dringend benötigt hätten. Es gab früher ein Krankenhaus in Rann, aber ein Feuer hat es im vergangenen Jahr beschädigt und es ist nicht mehr funktionsfähig. In der Stadt gibt es seitdem keine medizinische Einrichtung mehr.

Es hatte Monate gedauert, bis Ärzte ohne Grenzen am 14. Januar erstmalig Zugang zu dieser extrem unsicheren Region bekommen hat. Als wir ankamen sahen wir, dass die Menschen hier nichts haben. In der Woche vor unserer Ankunft gab es Berichte, dass 21 Menschen an den Folgen von Mangelernährung gestorben waren. Wir sind hier, um zu erheben, was die Vertriebenen brauchen, auch, ob sie genug Nahrung und Zugang zu Trinkwasser haben. Seit wir hier sind haben wir auch Kinder zwischen sechs Monaten und 15 Jahren geimpft und erste Hilfsgüter verteilt.

Als ich dann einen Moment für mich hatte, ging ich zum Friedhof, wo die Beisetzungen schon begonnen hatten. Es gab 30 neue Gräber – in einigen Fällen wurden Mütter mit ihren Kindern im selben Grab beerdigt. Es ist eine Tragödie.

Ich habe mir auch die Stellen angesehen, an der die Bomben eingeschlagen haben. Sie sind über Häusern abgeworfen worden. Es ist unfassbar. Ich erkannte den leblosen Körper einer Mutter wieder, die am selben Morgen noch bei unserer Nahrungsmittelverteilung gewesen war. Sie hatte therapeutische Fertignahrung für ihre Zwillinge erhalten, die an Mangelernährung leiden. Nun sah ich, wie sich die Kinder weinend an den leblosen Körper der Mutter pressten.

Mir fehlen die Worte.

Was uns nach so einer tragischen und traumatisierenden Erfahrung Kraft gibt weiterzumachen, ist das Wissen, dass wir alles getan haben, was in unserer Macht stand. Auch wenn wir nicht genug Ressourcen hatten.

Drei Angestellte einer privaten Firma, die von uns mit der Bereitstellung sanitärer Anlagen und der Wasseraufbereitung im Vertriebenenlager beauftragt worden war, starben bei dem Angriff, einer ihrer Kollegen wurde verletzt. Das ist auch sehr hart für unser Team, da wir eng mit ihnen zusammengearbeitet hatten. Alles was wir für sie tun konnten war, ihre Leichname zu ihren Familien zurückzuschicken.

Die Überlebenden des Bombenangriffes haben schon so viel durchgemacht und so viel Gewalt erlebt. Rann war ihr sicherer Hafen. Die Armee sollte sie beschützen und hat sie stattdessen bombardiert. Wir müssen weiter an ihrer Seite bleiben.