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„Wenn bei ihnen Hepatitis C diagnostiziert wird, fürchten die Patienten sterben zu müssen“

Ein schwerwiegendes Gesundheitsproblem: Bis zu einer Million Menschen sind in der Stadt Karachi von einer Hepatitis-C-Erkrankung betroffen, insgesamt leiden bis zu fünf Prozent der Bevölkerung im Land daran. Nach Ägypten ist dies die zweithöchste Rate weltweit. Ärzte ohne Grenzen unterhält in der pakistanischen Mega-City ein Programm mit Hepatitis-C-Schwerpunkt, weil die Menschen dort kaum Zugang zu einer Diagnose sowie Medikamenten haben. Unser Arzt Dr. Muhammad Khawar Aslam berichtet über ein erstes Erfolgserlebnis in unserem Pilotprojekt zur Verbesserung der Versorgung. Dabei geht es auch um das neue Medikament Sofosbuvir, das eine Wende in der langen und schmerzhaften Therapie bringt, noch aber zu teuer ist.

Wir betreiben seit fast einem Jahr ein Gesundheitszentrum im Slum Machar Colony, am Rande von Karachis Fischerhafen, einer überfüllten und verschmutzten Gegend ohne richtige sanitäre Anlagen und Kanalisation. Dort haben die Menschen nur sehr begrenzten Zugang zur Gesundheitsversorgung. Wir bieten diese in der Klinik, zudem eine medizinische Notversorgung und ambulante Sprechstunden an und überweisen Patienten in andere Einrichtungen. Zudem leisten wir Schwangerenbetreuung, Geburtshilfe und nachgeburtliche Versorgung.

Klinik mit Hepatitis-C-Programm als Pilotprojekt

Die Entscheidung für den Start des Hepatitis-C-Projektes fiel nicht nur, weil das Gesundheitssystem in Machar Colony so schlecht ist, sondern auch, weil viele Menschen es sich nicht leisten können sich testen zu lassen und behandelt zu werden. Indem wir in unserer Klinik grundlegende Gesundheitsversorgung anbieten, haben die Patientinnen und Patienten freien Zugang zu einer Diagnose und einer hochwertigen Behandlung, ohne dass sie ein weit entferntes Krankenhaus aufsuchen müssen. Die Klinik ist ein Pilot-Projekt und unser erstes Hepatitis-C-Programm überhaupt. Dieses Jahr werden rund 400 Menschen eine Behandlung erhalten. Das Projekt soll zeigen, dass ein solches Modell funktionieren und reproduziert werden kann.

Zu uns kommen einerseits Menschen, die wissen, dass sie die Krankheit haben, da sie bereits in anderen Einrichtungen diagnostiziert wurden. Andere wiederum bekommen ihre Diagnose erst in unserer Klinik. Meist kommen sie mit Symptome wie Gliederschmerzen, Müdigkeit, geringen Appetit, Fieber und manchmal Infektionen zu uns. Sie werden dann in unserer Ambulanz getestet und in die Hepatitis-C-Abteilung überwiesen, wenn der Test positiv ausfällt.

Hohe Übertragungsraten durch Bluttransfusionen und Wiederverwendung von Spritzen

Hepatitis ist eine Infektion der Leber. Es gibt viele verschiedene Typen, aber B und C sind die schwerwiegendsten, da es sich bei ihnen um durch Blut übertragbare Virusinfektionen handelt. Gegen Hepatitis C gibt es keine Impfung, und der Hauptgrund für die hohen Übertragungsraten sind Bluttransfusionen oder die Wiederverwendung von Spritzen, die in einigen ärmeren Regionen vorkommt. Im Anfangsstadium der Krankheit zeigt die betroffene Person keine erkennbaren Anzeichen, so dass Patientinnen und Patienten über viele Jahre nicht wissen, dass sie die Krankheit in sich tragen, bevor sie die ersten Symptome spüren. Während dieser Zeit können sie den Virus jedoch beispielsweise durch sexuelle Kontakte übertragen.

Es gibt viele Missverständnisse im Hinblick auf Hepatitis C, und die meisten Patientinnen und Patienten denken, die Diagnose sei ihr Todesurteil. Wir haben ein ganzes Team im Einsatz, das den Menschen dabei hilft, mit den schlechten Neuigkeiten zurechtzukommen und ihnen richtige Informationen zur Verfügung stellt. Zudem informieren wir die Gemeinden darüber, wie die Krankheit übertragen wird, um Stigmatisierung und Isolierung vorzubeugen und Ängste und Vorurteile abzubauen, damit sich die Menschen testen lassen.

Die Geschichte Nabi Alams:
Nabi Alam zum Beispiel ist 19 Jahre alt und eines von sieben Kindern. Er lebt in Machar Colony. An der dortigen staatlichen Schule arbeitet er als Lehrer für Chemie, Biologie und Physik. Eigentlich war es Nabis Wunsch, nach China zu gehen, wo er sein Medizinstudium abschließen wollte. Doch bei einer ärztlichen Untersuchung, die er dafür machen musste, erfuhr er, dass er Hepatitis C hat. Der Traum vom Ausland war damit erst einmal geplatzt. Unser mobiles Team informierte Nabi über die Möglichkeit, sich in der Klinik von Machar Colony behandeln zu lassen. Bisher verläuft seine Therapie gut. Allerdings hat Nabi seinen Plan, das Land zu verlassen, aufgegeben. Stattdessen hat er die Initiative “The Light of Knowledge” für Kinder ohne Zugang zum Bildungssystem ins Leben gerufen, für die er nach seiner regulären Arbeit Unterricht gibt.

Noch zu teuer: Sofusbuvir - ein Medikament, das eine Wende in der Behandlung bringt

Neben unserem Programm gibt es in Pakistan einige andere teure Behandlungsmöglichkeiten. Ein weltweit eingesetztes Medikament ist Interferon, das jedoch nur sehr schwer verträglich ist. Mehr als 70 schmerzvolle Spritzen sind notwendig, die einige schwerwiegende Nebenwirkungen hervorrufen können. Das beeinträchtigt das Alltagsleben der Patienten, da sie ihr Leben nicht normal weiterführen können und durch die Behandlung zu geschwächt sind, um arbeiten zu gehen. Mehrmals pro Woche müssen sie in die Klinik kommen, damit ihnen das Medikament gespritzt werden kann. Das ist für die Betroffenen sehr schwierig, und viele schaffen es nicht, die Behandlung abzuschließen. Zudem ist die Erfolgsquote auch bei einem Abschluss der Behandlung sehr gering.

Neue und deutlich bessere Hepatitis-C-Behandlungen, die die Krankheit schon in 12 Wochen heilen können und die die Einnahme von nur einer Tablette pro Tag erfordern, sind seit zwei  Jahren erhältlich und seit einem in Pakistan zugelassen. Bei dem neuen Medikament Sofosbuvir, das wir in unserer Klinik anbieten, sind die Nebenwirkungen gering, und die Patienten können zügig zu ihrem normalen Leben zurückkehren. Auch die Gesundungsrate ist sehr hoch. Wir hoffen, dass das Medikament bald zu einem angemessenen Preis verfügbar sein wird, da es eine eindeutige Wende in der Behandlung von Hepatitis C darstellt.

Vor ein paar Wochen konnten wir unseren ersten Patienten mit negativen Testergebnissen entlassen, nachdem er in unserer Klinik mit Sofosbuvir behandelt worden war. Zuvor hatte er schon zwei lange und schmerzhafte Behandlungen mit Interferon hinter sich. Die negativen Testergebnisse und das Wissen, dass er bald zu einem normalen Leben zurückkehren kann, waren ein unglaubliches Erfolgserlebnis für das ganze Team.

Ärzte ohne Grenzen arbeitet seit 1986 in Pakistan und leistet dringend notwendige medizinische Versorgung für die Menschen in Balochistan, Khyber Pakhtunkhwa, den Stammesgebieten unter pakistanischer Bundesverwaltung (FATA) und in Sindh. Die Aktivitäten von Ärzten ohne Grenzen in Pakistan werden ausschließlich durch private Spenden finanziert. Dir Organisation verwendet dafür keinerlei staatliche oder institutionelle Mittel.