Direkt zum Inhalt

"Ein Schwangerschaftsabbruch ist an den meisten Orten dieser Welt immer noch ein Tabuthema"

Image
Dr. Parnian Parvanta ist die Vorstandsvorsitzende bei Ärzte ohne Grenzen Deutschland
© Barbara Sigge/MSF
Dr. Parnian Parvanta ist Vorstandsmitglied bei Ärzte ohne Grenzen Deutschland und Gynäkologin in Mainz.

Dr. Parnian Parvanta ist Gynäkologin in Mainz und Vorstandsmitglied bei uns. In diesem Interview beantwortet sie Fragen unserer Social Media Community rund um das Thema Schwangerschaftsabbrüche.

Werden Gynäkolog*innen für die Durchführung von sicheren Schwangerschaftsabbrüchen ausgebildet?

Schwangerschaftsabbrüche sind weltweit ein Thema. Der Bedarf an Schwangerschaftsabbrüchen besteht überall. Und das wahrscheinlich, seitdem es die Menschheit gibt. Die Frage ist nur: Wie werden sie vorgenommen? Werden sie mit Unterstützung von medizinischem Fachpersonal vorgenommen? Oder wird das auf eine Art und Weise von Menschen vorgenommen, die sich vielleicht gar nicht damit auskennen? Oder häufig in der Verzweiflung auch durch die Frauen alleine mit unsicheren Methoden? Dementsprechend sollten Gynäkolog*innen weltweit, weil der Bedarf so hoch ist, im Rahmen ihrer Facharztausbildung darauf vorbereitet sein. Wir sehen es in unserer alltäglichen Arbeit, egal wo wir arbeiten, dass Frauen zu uns kommen und einen Schwangerschaftsabbruch verlangen.

Und deswegen sollte das Teil der gynäkologischen Ausbildung sein. Egal wo man ausgebildet wird.

Wie funktioniert ein sicherer Abbruch? 

Ein Schwangerschaftsabbruch kann am einfachsten und sehr sicher medikamentös durchgeführt werden. Das kann in Form von Pillen gemacht werden. Die Frauen können diese auch zu Hause einnehmen. Dafür müssen sie auch nicht in der Klinik bleiben. Das kann dann noch mal nach einigen Tagen, zum Beispiel wenn die Frau sich unsicher ist, kontrolliert werden.

Das ist eine sehr, sehr einfache und sichere Methode, die wir gerade an Orten, wo vielleicht der Zugang zu Krankenhäusern erschwert ist, anbieten können. Um die Hürde, relativ gering zu halten und die Möglichkeit zu geben, einen Abbruch vorzunehmen.

Man kann aber auch Schwangerschaftsabbrüche instrumentell vornehmen. Das kann zum Beispiel sein, wenn die Frau so schnell wie möglich den Schwangerschaftsabbruch hinter sich haben möchte oder nicht möchte, dass zu viele Menschen mitbekommen, dass sie sehr stark blutet. Dann kann es ein Grund sein, das zum Beispiel instrumentell durchzuführen.

Wie werden unsichere Schwangerschaftsabbrüche vorgenommen?

Unsichere Schwangerschaftsabbrüche können leider auf unterschiedlichste Arten und Weisen vorgenommen werden. Das kann zum Beispiel dadurch sein, dass Frauen sich Stricknadeln, Stöcke oder sonstiges in die Gebärmutter schieben und versuchen, dadurch die Gebärmutter zu manipulieren, sodass es zu einer Fehlgeburt kommt. Oder indem sie Medikamente einnehmen, von denen sie wissen, dass sie vielleicht Wehen auslösen können. Bei der Dosierung oder Einnahme wissen sie aber oft nicht, wie sie es machen sollen. Oder sie nehmen Säuren oder giftige Materialien ein. Häufig kommt auch vor, dass sich Frauen Kräuter einführen, in der Hoffnung, dass es dadurch zu Blutungen und somit zu Schwangerschaftsabbrüchen kommt.

Man könnte diese Zahlen auf Null runtersetzen - man könnte das komplett verhindern, wenn man den Frauen die Möglichkeit zu sicheren Schwangerschaftsabbrüchen geben würde.

Bis zu welcher Schwangerschaftswoche darf man legal abbrechen?

Wann sind Schwangerschaftsabbrüche legal und wann nicht - das ist leider nicht so einfach zu beantworten - das wird in jedem Land unterschiedlich gehandhabt und ist ein sehr, sehr komplexes Thema. In vielen Ländern, auch in Deutschland, ist ein Schwangerschaftsabbruch eigentlich verboten.

Es gibt die Möglichkeit eines Schwangerschaftsabbruches unter gewissen Bedingungen und das ist in den allermeisten Ländern und Kontexten so. Dabei geht es vor allem um die Sicherheit der Mutter. Das heißt, wir entscheiden immer von Fall zu Fall.

Mit der Patientin zusammen, je nach Kontext, besprechen wir und entscheiden: Ist ein Schwangerschaftsabbruch möglich? Und wie werden wir das am besten im Sinne der Patientin gemeinsam mit ihr entscheiden und vornehmen?

Müssen die Frauen meist heimlich abbrechen?  

Das ist für uns natürlich schwer zu sagen. Wir hoffen, dass das nicht der Fall ist. Aber leider ist ein Schwangerschaftsabbruch immer noch an den meisten Orten dieser Welt ein Tabuthema. Es ist ein Stigma und für die meisten Frauen ist es schwer, damit an andere heranzutreten.

Es ist leider nicht unwahrscheinlich, dass viele Frauen einen Abbruch heimlich durchführen müssen. Umso wichtiger ist es für uns, dass wir ihnen zumindest die medizinische Versorgung und die medizinische Unterstützung dafür gewährleisten.

Sollte Frauen eine psychologische Aufarbeitung danach angeboten werden?

In einigen unserer Projekte haben wir sogenannte Counselor oder Mental Health Supporter.
Das sind Menschen, die sich vor allem im psychologischen Bereich sehr gut auskennen und unsere Patientinnen unabhängig von ihrer Situation unterstützen.

Ein selbstbestimmter Schwangerschaftsabbruch

Dr. Manisha Kumar arbeitet für unsere Initiative "Safe Abortion Care" und setzt sich in unseren Projekten für sichere Schwangerschaftsabbrüche ein.

Mein Schwangerschaftsabbruch - meine Entscheidung

Sechs Berichte aus sechs Ländern - diese Frauen teilen ihre persönlichen Erfahrungen mit einem Schwangerschaftsabbruch und den damit verbundenen Vorurteilen.