Lage wird durch den Winter noch verzweifelter: Mehr als 75.000 Syrer sitzen im „Berm“ genannten Gebiet an der Grenze zu Jordanien fest
In der Wüste an der Grenze zu Jordanien – auch bekannt als „der Berm“ - verbringen mehr als 75.000 Syrer schon ihren zweiten Winter. Ihre gesundheitliche und humanitäre Situation wird sich in den kommenden Monaten weiter verschlechtern. Erneut fordern wir daher direkten Zugang zu den gestrandeten Menschen, um sie angemessen medizinisch behandeln zu können.
Vor fünf Monaten schloss Jordanien seine Grenze zu Syrien. Die Entscheidung beeinträchtigt das Leben und den Zugang zu medizinischer Hilfe von mehr als 75.000 Syrern schwer, die machtlos sind gegenüber den politischen Entscheidungen Jordaniens und der internationalen Gemeinschaft. Drei Viertel der Menschen, die dort bereits seit zwei Jahren gestrandet sind, sind Frauen und Kinder. Schon vor der Grenzschließung konnten humanitäre Akteure den Menschen kaum helfen. Nun ist die Situation noch trostloser geworden. Durch den typischen Wüstenwinter verschärfen sich die unmöglichen Lebensbedingungen und die schon ernste humanitäre Lage.
Erbärmliche Lebensbedingungen erhöhen Risiko der Unterkühlung
„Das Klima wird kälter und wir erwarten Temperaturen unter null Grad“, sagt unsere medizinische Projektleiterin für den Berm, Dr. Natalie Thurtle. „Wir fürchten auch, dass wir sehr bald von Kindern hören werden, die an Unterkühlung sterben, denn das ist auch schon im vergangenen Winter passiert.“
Die Lebensbedingungen sind erbärmlich: Die Menschen leben in instabilen improvisierten Zelten, die dem starken Wind nicht standhalten. Sie kämpfen ums Überleben, wobei das Fehlen jeglicher Infrastruktur das größte Problem ist. Es gibt keinen Zugang zu Winterkleidung, heißem Wasser, Feuerholz, Elektrizität oder irgendetwas, mit dem sich die Menschen wärmen könnten.
Auch der Zugang zu Nahrungsmitteln und anderem Lebensnotwendigen ist seit der Schließung der Grenze sehr begrenzt. Unter den Menschen im Berm hat das zu ernsthaften Gesundheitskomplikationen geführt. „Seit Anfang August wurden die Menschen nicht mehr mit Essen versorgt, und wir hören immer mehr Berichte über Mangelernährung. Allein in der vergangenen Woche haben wir mehr als 140 unbestätigte Berichte über Fälle von Mangelernährung im Berm erhalten. Das Leben dort wird immer extremer“, ergänzt Thurtle.
Kriegsverletzte haben keinen Zugang zu lebensrettender chirurgischer Versorgung
250 Kilometer westlich des Berm wird an der nordwestlichen Grenze von Jordanien und Syrien kriegsverletzten Syrern immer noch der Zugang zu der jordanischen Grenzstadt Ramtha verweigert. Die Schließung der Grenze hat medizinische Überweisungen von verwundeten Syrern in das Krankenhaus von Ramtha zum Stillstand gebracht. Seit mehr als drei Jahren bieten wir dort verletzten Syrern lebensrettende medizinische Behandlung an. Aber unsere Station ist trotz Berichten über verstärkte Gewalt und Kämpfe in Südsyrien fast leer. Wir befürchten, dass wir gezwungen sein könnten, unsere Programme für kriegsverletzte Syrern und Syrerinnen zu schließen, falls sich die Grenzsituation nicht verändert.
Wir fordern die Regierung Jordaniens dringend dazu auf, die Schranken, die der lebensrettenden medizinischen Versorgung auferlegt wurden, aufzuheben. Dazu müssen medizinische Überweisungen von kriegsverletzten Syrern, besonders von Frauen und Kindern, in unser chirurgisches Notfall-Projekt in Ramtha erlaubt werden.
Ärzte ohne Grenzen betrieb ab dem 16. Mai 2016 für 23 Tage ein mobiles Gesundheitszentrum im Berm, in dem eine medizinische Grundversorgung und Schwangerenvorsorge angeboten wurde. Die Mehrzahl der Behandelten waren Frauen und Kinder unter fünf Jahren. In dieser Zeit behandelten unsere Teams 3.501 Patienten und Patientinnen, berieten 450 schwangere Frauen und begleiteten eine Geburt.
In Ramtha bieten wir kriegsverletzten Syrern und Syrerinnen, die die Grenze nach Jordanien noch überqueren konnten, lebensrettende chirurgische Versorgung und postoperative Versorgung an. Seit September 2013 haben unsere Teams in Ramtha mehr als 2.427 Verwundete in der Notaufnahme des Krankenhauses behandelt und mehr als 4.500 syrische Patienten und Patientinnen operiert. Davon waren 800 Operationen mit einem Risiko für das Leben des Operierten verbunden.