"Es sind immer die Unschuldigen, die leiden" - Frauen erzählen vom Überleben
Seit den Präsidentschafts- und Parlamentswahlen im Dezember 2020 prägen einmal mehr massive Gewaltausbrüche die Situation in der Zentralafrikanischen Republik. Durch den seit Jahrzenten andauernden Bürgerkrieg ist inzwischen mehr als die Hälfte der im Land lebenden Menschen auf humanitäre Hilfe angewiesen. Die bewaffneten Auseinandersetzungen zwischen nichtstaatlichen, bewaffneten Gruppen und der von ausländischen Truppen unterstützten Regierungsarmee, beeinträchtigt die Arbeit vieler humanitärer Organisationen stark. So ist die Verlegung von Patient*innen und medizinischem Personal schwierig und die Versorgung mit lebenswichtigen Medikamenten begrenzt. Zudem sorgt ein Anstieg der Lebensmittelpreise dafür, dass viele Familien sich eine medizinische Versorgung kaum leisten können.
Mehr als jede*r Dritte vertrieben oder geflüchtet
In Bangassou, im Südosten des Landes, und in Ndu, im Norden der Demokratischen Republik Kongo, wo viele zentralafrikanische Geflüchtete leben, bieten wir daher kostenlose Gesundheitsversorgung einschließlich reproduktiver Gesundheitsversorgung an. Jeden Tag unterstützen unsere Teams Frauen vor und nach der Geburt, sorgen für hygienische Bedingungen bei Entbindungen, behandeln Komplikationen, bieten Zugang zu Verhütungsmitteln und kümmern sich um Opfer sexualisierter Gewalt.
Hier erzählen Frauen, die vor der Gewalt geflohen sind, ihre Geschichten.
Über den Fluss: Geschichten aus Ndu, Demokratische Republik Kongo
Ich möchte nicht, dass wir wieder fliehen müssen.
Trotz schlechter Bedingungen keine Rückkehr nach Bangassou
Heute lebt Christelle mit etwa hundert anderen Schutzsuchenden in einer ehemaligen Schule.
"Meine Schwangerschaft war schon sehr weit fortgeschritten, als wir aus der Stadt flohen. Aber ich wurde im Gesundheitszentrum betreut, und zum Glück ist bei der Entbindung alles gut gegangen", erinnert sie sich, während sie ihre Tochter Alvina im Arm hält.
Die beiden teilen sich ein Zimmer mit etwa 20 anderen Menschen. Die Lebensbedingungen sind beengt und alles andere als angemessen.
Trotzdem hat Christelle nicht vor, nach Bangassou zurückzukehren. Wie viele andere Geflüchtete hat sie Angst vor der unbeständigen Sicherheitslage in ihrem Land.
"Bevor ich zurückgehe, möchte ich sicher sein, dass wir mit Alvina in Sicherheit sind. Ich möchte nicht, dass wir wieder fliehen müssen."
Amatou war dort in guten Händen
Aufgrund der vielen Neuankömmlinge haben unsere Teams die Aktivitäten im örtlichen Gesundheitszentrum von Ndu ausgebaut und u.a. dringend benötigte Wasserversorgungssysteme installiert. Auch die Zahl der Konsultationen im Gesundheitszentrum ist sprunghaft angestiegen. Schnell mussten wir unsere Unterstützung aufstocken, um sowohl diejenigen zu versorgen, die an Malaria, Atemwegsinfektionen und Durchfallerkrankungen leiden, als auch die vielen schwangeren Frauen zu betreuen, die unter den Geflüchteten sind.
So kümmerte sich unsere Hebamme Odette auch um die 25-jährige Amatou. Sie stand kurz vor der Entbindung, hatte aber Blutungen. "Sie konnte hier nicht entbinden, wir brachten sie nach Bangassou", sagt Odette.
Amatou wurde auf einer Trage zum Fluss transportiert, wo sie in einer Piroge (einem langen, schmalen Kanu) gemeinsam mit Odette den Fluss überquerte. Hier wartete bereits einer unserer Krankenwagen, um sie in die Universitätsklinik zu bringen.
Für Amatou war die Präsenz unserer Teams auf beiden Seiten des Flusses entscheidend. Das Krankenhaus in Bangassou ist eines der wenigen in der Gegend, welches Geburtskomplikationen behandeln kann. "Amatou war dort in guten Händen", sagt Odette.
Es ist das zweite Mal, dass ich hier Zuflucht gefunden habe
Heute hofft Ester, dass sich die Situation in Bangassou beruhigt, damit sie mit ihren Töchtern sicher nach Hause zurückkehren kann.
Zuflucht im Krankenhaus: Geschichten aus Bangassou
Niemand fühlt sich sicher genug, um zu gehen
Beatrice und ihre Familie finden hier nicht zum ersten Mal Zuflucht.
Meine Enkelkinder verdienen ein besseres Leben
"Als wir die Schüsse hörten, hatten wir schreckliche Angst", sagt die 50-jährige Philomène, die ebenfalls am 3. Januar mit ihrer Familie in die Universitätsklinik floh. "Wir sind direkt ins Krankenhaus gegangen, weil wir wussten, dass wir dort in Sicherheit sind."
Philomène lebt seit einigen Wochen mit ihren Kindern und Enkelkindern hier. Für sie ist diese Krise eine zusätzliche Tragödie in ihrem Leben.
"Ich bin Witwe und habe bereits sechs meiner acht Kinder durch Krankheit und Gewalt verloren", sagt sie. "Die meisten meiner Enkelkinder hier sind Waisen. Und nun müssen wir hier leben. "
Trotz der schlechten Lebensbedingungen ist Philomène noch nicht bereit, das Krankenhausgelände zu verlassen. "Wir brauchen Sicherheit. Nur in Frieden können wir ein normales Leben beginnen. Meine Enkelkinder haben ein besseres Leben verdient."
Frauengesundheit
Frauen* haben andere gesundheitliche Risiken als Männer. Doch ihre spezifischen Bedürfnisse finden im Gesundheitssystem und in der Forschung nach wie vor keine ausreichende Beachtung.