Zehntausende Vertriebene suchen Zuflucht vor Kämpfen
Seit dem 27. Dezember 2017 halten die gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen verschiedenen bewaffneten Gruppen im Nordwesten der Zentralafrikanischen Republik an. Rund 30.000 Menschen sind vor den Kämpfen geflohen und haben Zuflucht in der Stadt Paoua gesucht. Sie berichten von Dörfern, die in Brand gesetzt wurden, Erpressungen und willkürlichen Angriffen auf alle, die sich in dem Gebiet befinden. Die Situation bleibt extrem angespannt.
Unser Team behandelte im Krankenhaus von Paoua 13 Menschen, die bei den Kämpfen und Angriffen verletzt wurden. „Das ist sehr wenig, wenn man bedenkt, wie viele Vertriebene Paoua erreicht haben und welch extremer Gewalt sie ausgesetzt waren. Viele erzählen von Männern auf Pferden, die auf alles schießen, was sich bewegt und von toten und verletzten Menschen, die im Busch zurückgelassen wurden", sagt Gwenola François, Einsatzleiter von Ärzte ohne Grenzen. „Wir sind sehr besorgt über die Situation.“
Der 33-jährige Bauer Léonard Gangbe war einer der Verwundeten, die das Krankenhaus in Paoua erreicht haben. Als die Kämpfe ausbrachen, floh er gemeinsam mit einigen Nachbarn aus dem Dorf in ein Haus im Wald. Während er versuchte, bewaffnete Männer daran zu hindern, sein Vieh zu stehlen, wurde er in die linke Wange geschossen. Die Kugel durchdrang seine Nase und Oberlippe. Aufgrund der Kämpfe mussten wir die Arbeit in den sieben Gesundheitszentren außerhalb von Paoua unterbrechen. Drei dieser Zentren wurden Berichten zufolge geplündert.
Anhaltende Gewalt gefährdet die Region
Im vergangenen Jahr blieb die Region Paoua von den landesweiten Kämpfen relativ verschont. Aber selbst dort, wo die Sicherheitslage im Vergleich zu anderen Teilen des Landes etwas besser war, waren die Menschen anhaltender Gewalt ausgesetzt. Sie geht sowohl von dem Kampf zwischen bewaffneten Gruppen, als auch von gezielten Angriffen auf die Zivilbevölkerung aus. Dies führt zu einer großen Anzahl an Toten und Verletzten. Die Lage verschlechtert sich zusätzlich durch die Unfähigkeit staatlicher Autoritäten, in weiten Teilen des Landes Sicherheit zu gewährleisten. Bewaffnete Gruppen nutzen jeden Vorwand, um willkürlich Steuern einzufordern: Für die Erlaubnis, sich auf einer bestimmten Straße fortzubewegen, Rinder zu besitzen oder sogar im eigenen Haus zu leben.
Die Geschichte von Josianne Wankian steht für viele andere
Josianne Wankian ist 37 Jahre alt und Mutter von neun Kindern. Sie stammt aus Betokomia, einem Dorf, das wenige Kilometer von Paoua entfernt liegt. Am 28. Dezember 2017 hörte sie um fünf Uhr morgens Schüsse in der Nähe ihres Hauses. Ihr Ehemann und ihr 13-jähriger Sohn rannten davon, weil das Gerücht umging, dass zwar keine Frauen verletzt, die Männer jedoch sofort getötet werden. Sie war mit ihren Kindern alleine, als bewaffnete Männer eindrangen und Essen und Geld verlangten. Josianne lieh sich daraufhin umgerechnet etwa 18 Euro von Nachbarn, damit sie und ihre Kinder unversehrt das Dorf verlassen und bei ihrer älteren Schwester, die in Paoua lebt, Zuflucht suchen konnten.
„Wir waren gerade dabei, unser Haus wiederaufzubauen, als erneut Kämpfe ausbrachen.“
Es war nicht das erste Mal, dass bewaffnete Männer von Josianne und ihrer Familie Geld verlangten. Im August 2017 haben sie sogar ihr Zuhause in Brand gesetzt. „Mein Ehemann ist Bauer. Wir hatten vier Rinder. Daher waren wir in der Lage, unser Einkommen mit dem Verkauf von Produkten zu steigern", erzählt Josianne. „Wenn bewaffnete Männer ein anständiges Haus sehen, verlangen sie Nahrung, Vieh oder Geld. Sie befahlen uns, eine Steuer von 76 Euro für unser Vieh zu zahlen und forderten 183 Euro, damit wir in unserem Haus weiterleben können. Ich gab ihnen 38 Euro - alles, was ich hatte. Es hat sie nicht davon abgehalten, unsere Habseligkeiten zu stehlen und das Haus in Brand zu stecken. Danach verbrachten meine Kinder und ich mehrere Monate auf den Feldern. Wir waren gerade dabei, unser Haus wiederaufzubauen, als vor ein paar Tagen erneut Kämpfe ausbrachen.“
Wie Josianne und ihre Familie sind mehr als 30.000 Menschen aus den umliegenden Dörfern geflohen und haben Zuflucht in der Stadt Paoua gesucht. Auch wenn es hier nicht sicher ist, fühlen sie sich hier geschützter als in den Dörfern. Die Stadt ist überfüllt, fast jeder Haushalt beherbergt mehr als 40 Vertriebene. Bald wird es nicht mehr genug Wasser und Nahrung für alle geben.
Ärzte ohne Grenzen arbeitet seit 2006 in Paoua. Die Organisation unterstützt die Notaufnahme und die Kinderstation des Krankenhauses in Paoua. Die Organisation hat zudem den Zugang zu medizinischer Grundversorgung für Kinder und schwangere Frauen in sieben abgelegenen Gesundheitszentren sichergestellt.
In der Zentralafrikanischen Republik leistet Ärzte ohne Grenzen derzeit medizinische Hilfe für die Bevölkerung in Bria, Bambari, Alindao, Batangafo, Kabo, Bossangoa, Boguila, Paoua, Carnot und Bangui. Seit Beginn des Jahres 2017, in dem es zu einer Eskalation des bewaffneten Konflikts kam, musste die Organisation mehrere Hilfsprogramme anpassen, um auf die dringendsten Bedürfnisse der von der Gewalt betroffenen Bevölkerung reagieren zu können.