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Den unsichtbaren Kriegen entkommen - Wie Gewalt und Armut Menschen in die Flucht treiben

“No mas muertes” – „Keine Toten mehr“ lautet das Graffiti, das in grüner Farbe auf den Mittelstreifen des Suyapa Boulevards in der honduranischen Hauptstadt Tegucigalpa gesprüht ist. Diese verzweifelte Anklage gilt aber nicht nur für diese Stadt, sondern für ganz Honduras, Guatemala und El Salvador. In diesem nördlichen Länderdreieck von Zentralamerika haben weit verbreitete Gewalt und Armut eine humanitäre Krise hervorgerufen, die über die Grenzen dieser Länder hinausgeht. Verzweifelte Menschen verlassen die Region und ziehen in der Hoffnung nach Norden, die USA zu erreichen. Ärzte ohne Grenzen leistet unterwegs und in einigen ihrer Heimatländer medizinische und psychosoziale Hilfe.

Die Nationen in diesem Länderdreieck sind seit langem von tiefgreifender sozialer Ungleichheit, politischer Instabilität und Konflikten geprägt. Zwischen El Salvador, Guatemala und Honduras betreiben kriminelle Gruppen, bekannt als Maras, Menschen- und Drogenhandel. Außerdem ist Korruption weit verbreitet und die Strafverfolgung arbeitet ineffektiv. Im Alltag sind Zivilisten fortwährend von Gewalt bedroht. 500.000 Menschen fliehen jedes Jahr wegen Drohungen, Erpressung und Zwangsrekrutierungen durch Gangs aus dem Länderdreieck. Zudem gibt es dort Selbstmordraten, die jenen in Kriegsländern gleichkommen. Viele haben keine andere Wahl, als sich auf die gefährliche Reise in den Norden zu machen. In der Hoffnung, die USA zu erreichen, nehmen einige auch schwere Verletzungen in Kauf, und manche riskieren sogar ihr Leben. Auch die Bemühungen der Trump-Administration, Schutzsuchende verstärkt abzuschieben und den legalen Schutz für Flüchtlinge und Asylsuchende abzubauen, halten sie nicht ab.

Die körperlichen und psychischen Konsequenzen dieser Krise sind von der internationalen Gemeinschaft bislang weitgehend unbemerkt geblieben. Wir sind in der Region seit langem aktiv. Nun weiten wir unsere Arbeit im medizinischen und psychosozialen Bereich in Krankenhäusern und Gesundheitszentren sowie in Unterkünften von Migrantinnen und Migranten entlang deren Route in den Norden aus. Weil die Zahl von Menschen auf der Route wächst, müssen wir dem mit unseren Programmen besser gerecht werden.

 

 

Beispiel Honduras: 174.000 Vertriebene im eigenen Land

Laut einer Studie des Flüchtlingskommissariats der Vereinten Nationen von 2017 leben in den zwanzig wichtigsten Kommunen von Honduras 174.000 vertriebene Menschen. In den Straßen wichtiger Städte wie Tegucigalpa und San Pedro sind Gewalt und Kriminalität allgegenwärtig. Häusliche und sexuelle Gewalt sind weit verbreitet – besonders Frauen und Kinder leiden sehr darunter.

In Honduras haben wir beispielsweise eine Klink instandgesetzt, die ursprünglich von den Mitgliedern der Gemeinde von Nueva Capital Sektor 2 erbaut worden war. Diese Gemeinde liegt in den bergigen Randlagen der honduranischen Hauptstadt Tegucigalpa. Nueva Capital entstand in den späten 1990er-Jahren. Menschen, die vor dem Hurrikan Mitch geflohen waren, ließen sich dort nieder. Sie haben sich hier in fünf Gemeinden organisiert, die zu den gefährlichsten in der Region gehören.

Auf dem Weg zur Arbeit: Überfallen, ausgeraubt, entführt 

Dort leistet eines unserer Teams Basis-Gesundheitsversorgung und psychosoziale Hilfe für rund 60.000 Menschen. Unsere Psychologin Brenda Villacorta erzählt: “Hier gibt es einen großen Bedarf für psychologische Unterstützung. Wenn jemand mit einer Schusswunde kommt, können wir diese versorgen. Aber die psychischen Verletzungen, die damit einhergehen, erkennt man nicht immer. Ich sehe unbewältigte Trauer, Angst und Depressionen, außerdem häusliche und sexuelle Gewalt.“ Viele Menschen hier riskieren, überfallen, ausgeraubt, entführt zu werden oder gar Schlimmeres, wenn sie zur Arbeit nach Tegucigalpa fahren. Gewalt und Arbeitslosigkeit sind allgegenwärtig. 

Ein weiteres Beispiel ist die Stadt Choloma an der Grenze zu Guatemala. Dort gibt es viele Fabriken, weswegen viele arbeitssuchende Menschen aus dem ganzen Land dorthin kommen. Doch die niedrigen Löhne und die katastrophalen Arbeitsbedingungen bedeuten ein Leben in Armut. Auch hier herrscht Gewalt – besonders betroffen sind erneut Frauen und Kinder. Wir unterstützen eine Klinik des lokalen Gesundheitsministeriums, der es an Personal und Budget mangelte. Dort leisten wir nun unter anderem Notfallhilfe und betreuen schwangere Frauen.

Mexiko: Unsere Patienten haben extreme Gewalt erlebt 

Basisgesundheitsversorgung und psychologische Hilfe leisten wir auch entlang der Migrations-Route durch Mexiko z.B. in der Migranten-Unterkunft „La 72“ in Tenosique und an anderen Orten. Orte wie diese bieten Migranten und Migrantinnen einen Ort zum Durchatmen während ihrer gefährlichen Reise. Die Auswirkungen der Gewalt auf dem Weg sehen wir bei unseren Patienten, von denen vielen extreme Gewalt bei Folter, Entführungen oder Vergewaltigungen widerfahren ist. Sie brauchen umfassende spezialisierte und integrierte Hilfe.