Covid-19: Ärzte ohne Grenzen fordert Rückkehr zu ursprünglichem Trips-Waiver
Genf/Berlin, 7. Juni 2022. Mit Blick auf aktuelle Verhandlungen innerhalb der Welthandelsorganisation (WTO) fordert Ärzte ohne Grenzen eine Rückkehr zum ursprünglichen Modell des Trips-Waivers. Dieses Modell würde für Länder des Globalen Südens die Rechtssicherheit schaffen, eigene Produktionen von Covid-19-Technologien auf- oder auszubauen. Am heutigen Dienstag trifft sich der Allgemeine Rat der WTO. Die WTO-Minister*innenkonferenz findet vom 12. bis 15. Juni in Genf statt.
Von den vertretenen Regierungen in Genf wird erwartet, dass sie ihre Verhandlungen über einen vorgelegten Textentwurf fortsetzen, der Anfang Mai als eine Annäherung an den eigentlichen Trips-Waiver durchgesickert war. Dieser Textentwurf ist in seiner jetzigen Form nicht zielführend und könnte einen negativen Präzedenzfall für die Bemühungen um einen besseren Zugang zu Medikamenten, Impfstoffen und Diagnostika schaffen, sollte er beschlossen werden.
Ärzte ohne Grenzen fordert die beteiligten Regierungen, darunter die Europäische Union, erneut auf, den Textentwurf von Anfang Mai abzulehnen und stattdessen die aktuelle Gelegenheit zu nutzen, sich auf das ursprüngliche Modell des Trips-Waivers zu einigen. Der Trips-Waiver würde einen wirksamen Beitrag zur Verbesserung des Zugangs aller Menschen zu Covid-19-Medizinprodukten leisten.
Der Trips-Waiver wurde vor 20 Monaten von Regierungsvertreter*innen Indiens und Südafrikas vorgeschlagen und von der Mehrheit der WTO-Mitgliedstaaten unterstützt. Wenige reiche Länder blockierten ihn.
Hierzu erklärt Yuanqiong Hu, Rechts- und Politikexpertin der Medikamentenkampagne von Ärzte ohne Grenzen:
„Der ursprüngliche Vorschlag für einen Trips-Waiver zielte darauf ab, geistige Eigentumsbarrieren für Covid-19-Medizinprodukte zu beseitigen, indem jedem Land die Steigerung der Produktion und des Angebots während der Pandemie erleichtert wird.
Die aktuellen Verhandlungen sind die letzte Chance für die Regierungen, endlich das Richtige zu tun und zum ursprünglichen Vorschlag für einen Trips-Waiver zurückzukehren, der von mehr als 100 Regierungen, internationalen Gesundheitsinstitutionen, zivilgesellschaftlichen Gruppen und Millionen Menschen auf der ganzen Welt unterstützt wurde. Die einhellige Forderung war, dass es während einer Pandemie keine Monopole auf lebensnotwendige Medizinprodukte geben sollte.
Der Zugang zu wichtigen Covid-19-Behandlungen und -Tests ist in vielen Ländern des Globalen Südens nach wie vor schwierig. Dies ist zum Teil auf die Barrieren durch geistige Eigentumsrechte und die restriktive Lizenzvergabe von Pharmaunternehmen zurückzuführen. Der ursprüngliche Trips-Waiver würde dazu beitragen, diese Hindernisse zu überwinden und die Länder bei der Bereitstellung lebensrettender medizinischer Produkte für ihre Bevölkerung unabhängiger zu machen. Vor dem Hintergrund einer Pandemie, die nach Schätzungen der Weltgesundheitsorganisation bereits fast 15 Millionen Menschenleben gekostet hat und bei der der Zugang zu medizinischen Hilfsmitteln extrem ungleich verteilt ist, fordern wir, dass die Regierungen dringend eine wirksame Ausnahmeregelung für geistiges Eigentum vorlegen, die Behandlungen, Impfstoffe und Diagnostika abdeckt und von jedem Land genutzt werden kann.
Wir sind sehr besorgt darüber, dass der Textentwurf, der derzeit als Grundlage für die Verhandlungen dient, sich grundlegend von dem ursprünglichen Vorschlag für einen Trips-Waiver unterscheidet und zahlreiche problematische Aspekte enthält, die inhaltlich behandelt werden müssen. Wir wollen nicht, dass die WTO eine Entscheidung trifft, die in die falsche Richtung geht und einen negativen Präzedenzfall schafft.“