EU-Asylreform: „Das ist der Nährboden für systematische Gewalt, Pushbacks und lange, willkürliche Inhaftierungen”
Zur Einigung der Europäischen Union auf den Pakt für Migration und Asyl sagt Felix Braunsdorf, Experte für Flucht und Migration bei Ärzte ohne Grenzen:
„Heute ist ein katastrophaler Tag für die Menschen, die vor Krieg und Gewalt fliehen. Die Europäische Union setzt mit ihrer Asylreform auf Internierungslager, Zäune und Abschiebungen in unsichere Drittstaaten. Das ist ein Kompromiss auf Kosten der Menschenrechte.
Das Leid, das dieses EU-Asylsystem verursachen wird, ist schon jetzt an den EU-Außengrenzen sichtbar. Der Präsident von Ärzte ohne Grenzen, Dr. Christos Christou, ist heute an der polnisch-weißrussischen Grenze, wo ein fünf Meter hoher Zaun Menschen auf der Flucht den Zugang zum Asylrecht verwehrt und zu schweren Verletzungen bei jenen führt, die dennoch versuchen, hinüberzuklettern. Unsere Teams behandeln Menschen mit Verstauchungen, Knochenbrüchen und Hundebissen, aber auch Männer, Frauen und Kinder, die erschöpft und dehydriert sind oder schwere Verletzungen durch Stacheldraht erlitten haben.
Seit Jahren sieht Ärzte ohne Grenzen die verheerenden physischen und psychischen Folgen der unmenschlichen europäischen Migrationspolitik an den Geflüchteten, die die medizinischen Teams versorgen - einer Politik, die unter dem Deckmantel der ‘Krise’ und der ‘Instrumentalisierung’ Mindeststandards und Rechte abbaut.
Es besteht die Gefahr, dass in Zukunft fast jede Fluchtbewegung nach Europa als Krisen- oder Instrumentalisierungssituation eingestuft wird, und Staaten Schutzmaßnahmen für Menschen in Not abbauen und den Zugang für humanitäre Organisationen einschränken. Das ist der Nährboden für systematische Gewalt, Pushbacks und lange, willkürliche Inhaftierungen. Bereits heute sitzen tausende Menschen unter menschenunwürdigen Bedingungen in Lagern auf den griechischen Inseln fest. Darunter Frauen, Kinder und andere schutzbedürftige Gruppen.
Als humanitäre Nothilfeorganisation blicken wir mit großer Sorge auf das, was sich in den kommenden Jahren an den EU-Außengrenzen abspielen wird. Wir werden auch unter erschwerten Bedingungen weiterhin medizinische Nothilfe für Menschen auf der Flucht leisten und uns für die Einhaltung ihrer Rechte einsetzen.“