EU-Lager völlig überfüllt, medizinische Versorgung unzureichend - Ärzte ohne Grenzen fordert Transfers von Asylsuchenden aufs Festland
Athen/Berlin, 4. Mai 2018. Angesichts der gesundheitsschädlichen Bedingungen im EU-Hotspot Moria auf Lesbos fordert Ärzte ohne Grenzen die griechischen Behörden und die EU auf, umgehend Menschen auf das Festland zu bringen und die Gesundheitsversorgung auf der Insel zu verbessern. „Das Lager ist unsicher und die Lebensbedingungen machen krank, vor allem Kinder“, sagt Declan Barry, medizinischer Koordinator von Ärzte ohne Grenzen. In dem von der griechischen Regierung betriebenen Lager, das ursprünglich für maximal 2.500 Menschen errichtet wurde, leben derzeit mehr als 7.000. Jede Woche kommen etwa 500 Menschen neu auf Lesbos an.
„Wir behandeln jeden Tag Patienten mit zahlreichen Problemen, die mit den unzureichenden hygienischen Bedingungen zusammenhängen“, beschreibt Barry. „Zum Beispiel Erbrechen und Durchfall, Hautinfektionen und andere Infektionskrankheiten. Wir müssen diese Menschen dann wieder in dieselbe krankmachende Umgebung zurückschicken. Es ist ein untragbarer Teufelskreis.“
Obwohl die griechische Regierung für die medizinische Versorgung der Asylsuchenden zuständig ist, leisten Teams von Ärzte ohne Grenzen seit Ende 2017 nahe des Lagers medizinische Hilfe, insbesondere für Kinder und Frauen. Sie behandeln jeden Tag etwa 60 Kinder und müssen täglich etwa 15 weitere mit weniger starken gesundheitlichen Problemen vertrösten. Das einzige öffentliche Krankenhaus auf Lesbos ist völlig unterbesetzt und überlastet. Nachts und am Wochenende gibt es im Lager Moria so gut wie keine medizinische Versorgung. Doch die medizinischen Bedürfnisse der Menschen wachsen. Die Zahl der von Ärzte ohne Grenzen behandelten Kinder und Frauen hat sich in den vergangenen Wochen jeweils verdoppelt.
„Europäische Staaten und insbesondere Deutschland tragen eine Mitverantwortung für diese unmöglichen Zustände“, kritisiert Florian Westphal, Geschäftsführer von Ärzte ohne Grenzen in Deutschland. „Die Anstrengungen Griechenlands, Geflüchtete vom europäischen Festland fernzuhalten, sind Teil einer europäischen Strategie, die auf Abschreckung und Abschottung setzt. Den Preis dafür zahlen Menschen, die vor Krieg und Gewalt fliehen, und die ständig fürchten müssen, zurückgeschickt zu werden. Die unhaltbaren Lebensumstände in den Lagern auf den griechischen Inseln sind Ausdruck des Unwillens von EU und Bundesregierung, endlich eine menschenwürdige europäische Politik zum Schutz der Betroffenen zu gestalten. Mit dem EU-Türkei-Deal von 2016 wurden diese inhumanen Zustände provoziert, während gleichzeitig die Versprechen, legale Fluchtwege zu schaffen, nicht eingehalten wurden.“