Lesbos: Situation der Asylsuchenden verschlechtert sich dramatisch
Athen/Berlin, 24. Juli 2017. Der Schutz und die Versorgung schutzbedürftiger Menschen auf der griechischen Insel Lesbos haben sich dramatisch verschlechtert. Dies zeigt der Bericht „A dramatic deterioration for asylum seekers on Lesbos“, den Ärzte ohne Grenzen heute veröffentlicht. Der Bericht basiert auf medizinischen Daten von Ärzte ohne Grenzen sowie Patientenbeispielen von Menschen, die vor Gewalt und Krieg unter anderem aus Syrien, Afghanistan und dem Irak geflohen sind.
„Schutzbedürftige Menschen fallen durch das soziale Netz“, sagt Emilie Rouvroy, Landeskoordinatorin von Ärzte ohne Grenzen in Griechenland. „Sie werden weder ausreichend identifiziert noch angemessen versorgt.“
Der Bericht beschreibt die kürzlich erfolgten drastischen Ausgabenkürzungen in der Gesundheitsversorgung auf Lesbos. Auch die Prozesskostenhilfe und weitere wichtige Dienstleistungen wurden reduziert, Unterkünfte wurden geschlossen. Die Daten des Berichts belegen gleichzeitig, wie schutzbedürftig Asylsuchende auf Lesbos sind. Rund 80 Prozent der Menschen, die Ärzte ohne Grenzen untersucht hat, brauchen dringend eine psychologische Betreuung. Zwei Drittel der Patienten in den Programmen für psychische Gesundheit von Ärzte ohne Grenzen haben Gewalt erfahren, bevor sie in Griechenland ankamen, ein Fünftel wurde gefoltert. Etwa die Hälfte der Frauen, die Ärzte ohne Grenzen gynäkologisch untersucht hat, waren Opfer sexueller Gewalt.
„Die Zahl der Menschen, die auf den griechischen Inseln ankommen, ist in den vergangenen Wochen deutlich gestiegen. Gleichzeitig haben medizinische Akteure viel weniger Kapazitäten, um schutzbedürftige Menschen zu identifizieren“, sagt Rouvroy.
Die Neuankömmlinge sitzen nun im Lager Moria auf Lesbos bei rapide steigenden Temperaturen. Sie werden vernachlässigt, und die Lage ist angespannt, sporadisch kommt es zu Gewalt. „Die schwierigen Lebensbedingungen im überfüllten Lager, das komplizierte Rechtssystem und körperliches Leid werden noch verstärkt vom Verlust von Heimat, Familie und Freunden sowie der Gewalt, der viele Flüchtende auf der Reise ausgesetzt waren“, sagt Louise Roland-Gosselin von Ärzte ohne Grenzen, die die Daten des Projekts analysiert hat. „Die Alarmglocken läuten jetzt.“
Ärzte ohne Grenzen fordert eine maßgebliche Verbesserung der Gesundheitsversorgung auf den griechischen Inseln.