Impfstoffallianz Gavi muss Angebot für unter 5-jährige Kinder ausweiten
Genf/Berlin, 21. April 2023. Ärzte ohne Grenzen ist besorgt über die großen Impflücken bei Kindern unter fünf Jahren in Ländern, die sich in humanitären Krisen befinden. Mit Blick auf die Weltimpfwoche zwischen 24. und 30. April fordert die Organisation ein Aufholen aller notwendigen Impfungen für unter 5-Jährige. Ärzte ohne Grenzen pocht darauf, dass die Impfstoffallianz Gavi und deren Geber diesen Kindern, die keine oder nicht alle der routinemäßigen Impfungen erhalten haben, ein Nachholen ermöglichen.
Der derzeitige Finanzierungsmechanismus von Gavi deckt die Nachholimpfung von Kindern nicht angemessen ab, insbesondere in Ländern, in denen die humanitäre Situation schwierig ist. Gavi sollte dafür sorgen, dass Länder mit fragilen Gesundheitssystemen oder in humanitären Krisen von der Pflicht zur Kofinanzierung zusätzlicher Impfstoffe befreit werden.
„Die doppelte Belastung durch humanitäre Krisen und die Pandemie haben dazu geführt, dass eine wachsende Zahl von Kindern an lebensbedrohlichen Krankheiten wie Masern, Diphtherie oder Lungenentzündung erkranken, die durch Impfstoffe verhindert werden könnten“
- Miriam Alía Prieto, Beraterin für Impfungen und die Bekämpfung von Krankheitsausbrüchen bei Ärzte ohne Grenzen
„Die Erweiterung der Altersspanne für die Impfung von Kindern auf mindestens fünf Jahre ist von entscheidender Bedeutung. Gavi muss sofort handeln und in den Ländern, die dies wünschen, Impfstoffe bis zu einem Alter von mindestens fünf Jahren bereitstellen, um Millionen gefährdeter Kinder zu schützen, deren Leben auf dem Spiel steht."
Länder mit einem höheren Anteil ungeimpfter Kinder sind solche mit schwachen öffentlichen Strukturen für Grundimmunisierung und geringer Durchimpfungsrate. Dazu gehören auch humanitäre Krisen- und Konfliktgebiete, in denen die Menschen auf engstem Raum leben, wie etwa in Geflüchtetencamps. Kinder haben dort oft keinen Zugang zu medizinischer Grundversorgung und sterben eher an vermeidbaren, aber lebensbedrohlichen Krankheiten.
Seit mehr als fünf Jahrzehnten impft Ärzte ohne Grenzen Kinder in einigen der schwierigsten humanitären Kontexten der Welt. Im Syrien zum Beispiel verabreichte Ärzte ohne Grenzen 2016 über 118.000 Impfdosen an Kinder unter fünf Jahren. Im abgelegenen Mingala in der Zentralafrikanischen Republik, das von bewaffneten Gruppen kontrolliert wird, haben Teams von Ärzte ohne Grenzen 2019 eine Vielzahl von Kindern geimpft, die seit zwei Jahren keine einzige Impfdosis erhalten hatten. Im Jahr 2021 hat Ärzte ohne Grenzen weltweit mehr als 2,5 Millionen Kinder im Alter bis zu fünf Jahren geimpft.
Zwischen 2010 und 2019 ist die Zahl der Kinder, die nicht geimpft wurden, zwar weltweit zurückgegangen, in den Krisenländern gab es jedoch keine Fortschritte. Darüber hinaus gab es einen historischen Rückschritt bei der Impfung von Kindern, der zum Teil auf die Covid19-Pandemie zurückzuführen ist und zu einem Rückgang der weltweiten Durchimpfungsrate von 86 Prozent im Jahr 2019 auf 81 Prozent im Jahr 2021 führte. Zwischen 2019 und 2021 haben 67 Millionen Kinder keine Routineimpfung erhalten, darunter 48 Millionen Kinder, die nicht einmal eine einzige Dosis der wichtigsten Impfstoffe wie Diphtherie-Tetanus-Pertussis (DTP) erhalten haben.
Gavi zielt darauf ab, diese „Null-Dosis-Kinder“ und Kinder mit zu wenigen Impfungen zu erreichen und hat das „Zero-Dose-Immunisierungsprogramm“ ins Leben gerufen, um Kinder in einigen der ärmsten Regionen der Welt in der Sahelzone und am Horn von Afrika mit Impfstoffen zu versorgen. Gavi hat sich jedoch nicht öffentlich dazu geäußert, welche Altersgruppen im Rahmen dieser Initiativen abgedeckt werden und welches finanzielle Unterstützungsmodell den Ländern angeboten wird.
„Trotz der Fortschritte, die bei der Ausweitung der weltweiten Durchimpfungsrate erzielt wurden, leben fast elf Millionen der nicht oder unzureichend geimpften Kinder in fragilen oder humanitären Situationen“, sagt Sharmila Shetty, medizinische Beraterin für Impfstoffe bei der Medikamentenkampagne von Ärzte ohne Grenzen. „Da Länder, die sich in einer humanitären Krise befinden, bereits mit finanziellen Schwierigkeiten zu kämpfen haben, fordern wir Gavi nachdrücklich auf, auf eine Kofinanzierung der Länder für diese Aufholimpfung zu verzichten. Wir dürfen nicht zulassen, dass ein Kind leidet oder sein Leben verliert, nur weil es weit entfernt von den verfügbaren Impfstoffen lebt.“