Dramatische medizinische Unterversorgung in Mossul
Berlin, 9. Juli 2018. Ein Jahr nach Ende der Kämpfe in Mossul gibt es dort viel zu wenig medizinische Versorgung. Derzeit stehen für die geschätzten 1,8 Millionen Einwohner der Stadt weniger als 1.000 Krankenhausbetten zur Verfügung. Neun der 13 öffentlichen Krankenhäuser der Stadt wurden bei den Kämpfen beschädigt. Die Kapazitäten zur medizinischen Versorgung sowie die Zahl der verfügbaren Betten haben sich dadurch um rund 70 Prozent reduziert. Der Wiederaufbau von Gesundheitseinrichtungen in Mossul geht nur sehr langsam voran. Unterdessen kehren täglich Tausende Menschen nach Mossul zurück.
„Gesundheitsversorgung zu bekommen ist jeden Tag eine Herausforderung für Tausende Kinder und Erwachsene in Mossul“, sagt Heman Nagarathnam, Landeskoordinator von Ärzte ohne Grenzen im Irak. „Die Einwohnerzahl der Stadt wächst von Tag zu Tag. Allein im Mai 2018 kamen knapp 46.000 Menschen nach Mossul zurück. Aber das öffentliche Gesundheitssystem erholt sich nicht so schnell, und es gibt eine riesige Kluft zwischen den verfügbaren Angeboten und den tatsächlichen Bedürfnissen der wachsenden Bevölkerung.“
Besonders dringend benötigt werden derzeit mehr Kapazitäten in Notaufnahmen, auf chirurgischen Stationen, in der Onkologie und zur Behandlung von Brandwunden ebenso wie medizinische Ausrüstung und eine zuverlässige Versorgung mit bezahlbaren Medikamenten. Gebraucht werden außerdem psychologische Angebote für Menschen, die traumatische Gewalterfahrungen und den Verlust von Angehörigen verarbeiten müssen, sowie chirurgische Nachsorge, Schmerztherapie und Physiotherapie für Patienten mit Kriegsverletzungen. Diese leiden oft seit Monaten, weil sie nicht die medizinische Versorgung erhalten, die sie bräuchten.
Die hygienischen Bedingungen in Mossul sind schlecht, es gibt zu wenig sauberes Wasser und Strom, viele Gebäude sind beschädigt und Minen und Sprengkörper sind noch immer in Straßen und Gebäuden der Stadt verteilt. All dies stellt ein Risiko für die Gesundheit der Menschen dar und erhöht den Bedarf an medizinischer Versorgung.
Das Team in dem von Ärzte ohne Grenzen betriebenen Krankenhaus im Westen Mossuls beobachtete in den vergangenen 12 Monaten eine Verschiebung der gesundheitlichen Probleme der Patienten. Während die Mitarbeiter zunächst vor allem Kriegsverletzte behandelten, kamen dann mehr Patienten mit Verletzungen durch Minen und andere Sprengkörper. Zuletzt stieg die Zahl der Verletzungen, die auf die schwierigen Lebensbedingungen in der zerstörten Stadt zurückzuführen sind. So wurden im Mai etwa 95 Prozent der Patienten, die in die Notaufnahme kamen, von herunterfallenden Trümmern, durch einstürzende Gebäude oder bei Stürzen verletzt.
„Die Kämpfe in Mossul sind seit einem Jahr offiziell beendet“, sagt Nagarathnam. „Nationale und internationale Akteure müssen viel mehr dafür tun, dass die Menschen die Gesundheitsversorgung bekommen, die sie brauchen. Die öffentlichen Gesundheitseinrichtungen müssen wieder aufgebaut werden, die Menschen müssen bezahlbare Medikamente bekommen und Gesundheitseinrichtungen mit dem nötigen Material ausgestattet werden.“