Zivilgesellschaftliches Bündnis kritisiert Pläne zu Reform des EU-Asylsystems
Als Teil eines Bündnisses von mehr als 60 zivilgesellschaftlichen Organisationen fordert Ärzte ohne Grenzen die Bundesregierung zur Abkehr von ihren Plänen zur Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems (GEAS) auf. Mit Blick auf das Treffen der EU-Innenminister*innen am 8. Juni 2023 appelliert das Bündnis an Innenministerin Nancy Faeser (SPD), ihrer humanitären Verantwortung gerecht zu werden. Es dürfe keine Kompromisse auf Kosten des Flüchtlingsschutzes geben.
Aktuell wird unter anderem diskutiert, verpflichtende Grenzverfahren einzuführen, das Konzept der „sicheren Drittstaaten“ auszuweiten und am Dublin-System festzuhalten. Die unterzeichnenden Organisationen sind enttäuscht von der kürzlich bekannt gewordenen Position der Bundesregierung zu diesen Vorhaben und halten im Statement fest:
Anstatt sich dem Trend der Entwertung europäischer Grund- und Menschenrechte und der Erosion rechtsstaatlicher Grundsätze entschieden entgegenzustellen, signalisiert die Regierung mit ihrer Position die Bereitschaft, diesen Weg um jeden Preis mitzugehen. Damit gerät sie in eklatanten Widerspruch zu zentralen Versprechen des Koalitionsvertrags.“
Die Ausweitung der Grenzverfahren lässt erwarten, dass sich die humanitären Missstände an den EU-Außengrenzen noch verschärfen und der Flüchtlingsschutz weiter untergraben wird. Ein Blick in die geschlossenen Lager auf den griechischen Inseln zeigt beispielhaft, dass für die Menschen weder eine ausreichende medizinische Versorgung noch ein Zugang zu juristischer Beratung gewährleistet ist.
Der Hotspot-Ansatz auf den griechischen Inseln beziehungsweise seine Fortführung in „geschlossenen Zentren mit kontrolliertem Zugang bietet einen Vorgeschmack darauf, was mit der Reform des GEAS europaweit Realität werden könnte: beschleunigte Grenzverfahren sowie die Ausweitung von Inhaftierung, Isolation, unwürdigen Lebensbedingungen an den EU-Außengrenzen. Dieses System nimmt wissentlich in Kauf, Leid zu verursachen.“
- Felix Braunsdorf, Experte für Flucht und Migration bei Ärzte ohne Grenzen
Die Anwendung des Konzepts von „sicheren Drittstaaten“ birgt von den vorgeschlagenen Maßnahmen die größte Gefahr, wie es in dem gemeinsamen Statement heißt. Schutzsuchende könnten dann ohne Prüfung ihrer Fluchtgründe in ein außereuropäisches Land abgeschoben werden, in dem sie möglicherweise nicht in allen Landesteilen sicher sind oder zu dem sie gar keine Verbindung haben.
Die Vorschläge zur Anpassung des Dublin-Systems würden mehr Verantwortung auf die Außengrenzstaaten verlegen und sind unsolidarisch. Sie gehen zudem hauptsächlich zu Lasten der Schutzsuchenden, die noch länger auf die inhaltliche Prüfung ihres Asylantrags in der EU warten müssten. Anstatt ein dysfunktionales System neu aufzulegen, sollte an einem tatsächlich solidarischen Aufnahmemechanismus gearbeitet werden.
Zu den unterzeichnenden Organisationen zählen neben Ärzte ohne Grenzen unter anderem Amnesty International, Diakonie Deutschland, der Deutsche Caritasverband und Brot für die Welt.
Offener Brief: Keine Kompromisse auf Kosten des Flüchtlingsschutzes
Über 60 Organisationen wenden sich mit einem gemeinsamen Appell an die Bundesregierung zu ihrer Position zur Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems.