Tote und Verletzte bei Luftangriff auf Internierungslager in Tripolis
In der Nacht auf Mittwoch wurde ein Internierungslager für Flüchtlinge und Migranten in Tadschura, einem Stadtteil von Tripolis, bei einem Luftangriff getroffen. Ärzte ohne Grenzen leistet dort schon seit geraumer Zeit medizinische Hilfe. Dutzende Menschen starben nach Berichten bei dem Angriff, viele wurden verletzt. Mehrere Dutzend Verletzte wurden von Mitarbeitern der libyschen Gesundheitsbehörden und dem Libyschen Roten Halbmond in Krankenhäuser in Tripolis gebracht. Auch ein Team von Ärzte ohne Grenzen transferierte vier lebensgefährlich Verletzte aus einem Gesundheitszentrum in eine Klinik.
Bei dem Angriff auf das Lager wurde eine Zelle voller Menschen getroffen, eine zweite Zelle für Frauen wurde beschädigt. Das Team von Ärzte ohne Grenzen erhielt nach dem Angriff mehrere Notrufe von Flüchtlingen und Migranten sowie vom Kommandeur des Internierungslagers. Ein Team der Organisation versucht heute, das Internierungslager zu erreichen, um sich um die Überlebenden zu kümmern.
Zu dem Luftangriff sagt Prince Alfani, medizinischer Koordinator von Ärzte ohne Grenzen in Libyen:
„Der Luftangriff auf das Internierungslager in Tadschura ist eine schreckliche Tragödie, die leicht zu verhindern gewesen wäre. Zum Zeitpunkt des Angriffs waren mehr als 600 Männer, Frauen und Kinder in dem Internierungslager gefangen. Unsere Teams haben das Lager erst gestern besucht und 126 Menschen in der Zelle gesehen, die nun getroffen wurde.
Die Menschen, die den Angriff überlebt haben, fürchten weiter um ihr Leben. Nicht zum ersten Mal gerieten Flüchtlinge und Migranten in Tripolis zwischen die Fronten. Seit Beginn der Kämpfe im April gab es mehrere Luftangriffe auf Internierungslager oder ihre unmittelbare Umgebung. Das Lager in Tadschura wurde erst vor acht Wochen von Granatsplittern getroffen, die durch das Dach des Frauentraktes schlugen und dabei fast ein Kleinkind trafen.
Mehr als doppelt so viele Flüchtlinge und Migranten, als in diesem Jahr aus Libyen ausgeflogen wurden, sind im selben Zeitraum von der EU-unterstützten libyschen Küstenwache nach Libyen zurückgezwungen worden. Leere Verurteilungen der Angriffe reichen nicht aus. Alle Flüchtlinge und Migranten müssen sofort aus den Internierungslagern außer Landes gebracht werden. Untätigkeit und Gleichgültigkeit haben erneut schutzlose Geflüchtete das Leben gekostet."
Zur Rolle der Bundesregierung und der EU-Staaten sagt Katja Carson, stellvertretende Geschäftsführerin von Ärzte ohne Grenzen in Deutschland:
„Dieser entsetzliche Angriff zeigt in aller Deutlichkeit, dass Menschen, die vom Mittelmeer nach Libyen zurückgebracht werden, in akuter Lebensgefahr sind. Die Bundesregierung muss aufhören dazu beizutragen, dass Schutzsuchende nach Libyen zurückgeführt werden. Sie muss alle Hebel in Bewegung setzen, damit die Überlebenden des Angriffs und die anderen willkürlich in Internierungslagern eingesperrten Menschen umgehend aus dem Land in Sicherheit gebracht werden. Die Menschen müssen zumindest sofort freigelassen werden. Es ist zynisch, dass die EU-Staaten in dieser Situation auch noch massiv gegen zivile Rettungsschiffe vorgehen, die genau diejenigen retten, die vor Kriegshandlungen aus Libyen fliehen. Die EU-Staaten müssen aufhören, die Retter zu kriminalisieren, und sich stattdessen um die Menschen in Lebensgefahr kümmern.“