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Libyen

Flüchtlinge beschossen und verletzt – Ärzte ohne Grenzen fordert, Gefangene sofort außer Landes zu bringen

Tripolis/Berlin, 26. April 2019. Gefangene Flüchtlinge und Migranten sind in einem Internierungslager in der libyschen Hauptstadt Tripolis beschossen und verletzt worden. Das geht aus Belegen hervor, die Teams von Ärzte ohne Grenzen in Libyen aus dem Lager Kasr Bin Gaschir erhalten haben, in dem sich auch Kleinkinder und Schwangere befanden. Ärzte ohne Grenzen und andere Hilfsorganisationen haben seit mehr als zwei Wochen mehrfach dringend gefordert, die etwa 3.000 Menschen aus den Internierungslagern in Tripolis in Sicherheit zu bringen. Sie werden in Einrichtungen der von der EU unterstützten libyschen Einheitsregierung nahe des Kampfgebiets willkürlich festgehalten. Viele von ihnen wurden von der libyschen Küstenwache mit Unterstützung der EU vom Mittelmeer nach Libyen zurückgebracht.

„Wir sind mehr als schockiert. Nichts kann so einen gewaltsamen Angriff auf verletzliche Zivilisten rechtfertigen, die im Konfliktgebiet eingesperrt sind“, sagt Karline Kleijer, Leiterin der für Tripolis zuständigen Projektabteilung von Ärzte ohne Grenzen. „Der internationalen Gemeinschaft muss ihr völliges Nichthandeln vorgeworfen werden. Die bloße Verurteilung von Gewalt gegen Flüchtlinge und Migranten ist wertlos, wenn die internationale Gemeinschaft jetzt nicht sofort Maßnahmen ergreift. Wir fordern inständig in akuter Dringlichkeit, die Menschen außer Landes zu bringen. Sonst können sie erneut ins Kreuzfeuer geraten.“

Am Dienstag wurden Berichte über einen gewaltsamen Zwischenfall in Kasr Bin Gaschir öffentlich, wo zu diesem Zeitpunkt mehr als 700 unbewaffnete Flüchtlinge und Migranten gefangen waren. Unter ihnen befanden sich auch Säuglinge, Kinder und mehrere Schwangere. Zunächst ergaben die sich teilweise widersprechenden Berichte von Medien und humanitären Organisationen kein klares Bild von den Vorfällen und dem Ausmaß der Verletzungen. Einige Berichte sprechen von mehreren Toten und mindestens zwölf Verletzten. Mediziner von Ärzte ohne Grenzen kommen nach der Analyse von Fotos und Videos aus Kasr Bin Gaschir zu dem Ergebnis, dass die Verletzungen, die dort zu sehen sind, allem Anschein nach Schusswunden sind. Dieses Ergebnis wird von zahlreichen Berichten von Flüchtlingen und Migranten gestützt, die den Vorfall erlebt haben und sagen, dass sie brutal und wahllos mit Schusswaffen angegriffen wurden.

Die Gefangenen des Lagers wurden am Mittwoch und Donnerstag von mehreren humanitären Organisationen in ein Internierungslager in der Stadt Sawija gebracht. Ein Team von Ärzte ohne Grenzen, das gerade in Kasr Bin Gaschir war, um die Verletzten medizinisch zu versorgen, brachte am Mittwoch 30 Menschen, darunter 12 Kinder, aus der Kampfzone. Diese Menschen befinden sich nun zwar nicht mehr in direkter Nähe der Kampfhandlungen. Dennoch sind sie ebenso wie alle anderen Menschen, die in und um Tripolis in Internierungslagern gefangen gehalten werden, nach wie vor in Gefahr. Sie müssen unter katastrophalen Bedingungen leben und sind den sich schnell ändernden Dynamiken der Kämpfe hilflos ausgeliefert.

Ärzte ohne Grenzen ist äußerst besorgt um alle Zivilisten, die in der Kampfzone eingeschlossen sind, während der wahllose Beschuss sowie Luftangriffe in dicht besiedelten Gebieten von Tripolis anhalten. Laut der Weltgesundheitsorganisation sind seit Ausbruch der gewaltsamen Auseinandersetzungen in Tripolis 296 Menschen gestorben, darunter 21 Zivilisten. Weitere 1.441 Menschen wurden verletzt. Der Internationalen Organisation für Migration zufolge sind mehr als 35.000 Menschen geflohen.

Ärzte ohne Grenzen ruft alle Konfliktparteien auf, das humanitäre Völkerrecht zu respektieren und sicherzustellen, dass Zivilisten sowie zivile Infrastruktur geschützt werden. Medizinisches Personal und humanitäre Helfer müssen die Möglichkeit haben, auf beiden Seiten der Front lebensrettende medizinische Hilfe zu leisten.

Das von Gefangenen in Kasr Bin Gaschir aufgenommene Video können Sie hier sehen.

Achtung: schockierende Aufnahmen!

Für weitere Auskünfte sprechen Sie uns an

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Stefan Dold
- Media Relations