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Polen

Neues polnisches Gesetz birgt große Risiken

Berlin/Warschau, 26. Juli 2024. Ärzte ohne Grenzen warnt vor den Folgen des gestern beschlossenen polnischen Gesetzes zum Einsatz von Waffen an der polnisch-belarussischen Grenze. Das Gesetz schränkt die Strafbarkeit von Polizist*innen, Grenzschützer*innen und Soldat*innen ein, die an der Grenze Zwangsmaßnahmen anwenden. Dieses Gesetz wird die Lage für Schutzsuchende in der Grenzregion weiter verschlechtern und könnte den Einsatz tödlicher Waffen normalisieren.

Polen hatte am 13. Juni entlang der Grenze zu Belarus wieder eine 60 Kilometer lange Pufferzone eingerichtet. Sie umfasst jene Bereiche, in denen seit 2021 besonders häufig Migrant*innen die Grenze überqueren. Medien und Mitarbeitende humanitärer Hilfsorganisationen dürfen das Gebiet nur mit Genehmigung des Grenzschutzes betreten – eine Beschränkung, die für 90 Tage gelten soll. 

Ärzte ohne Grenzen wurde bis heute jedoch nur Zugang zu einem kleinen Teil der Pufferzone gewährt und nur für 30 Tage. Die Organisation hat mehrfach offiziell um uneingeschränkten und unabhängigen Zugang zur gesamten Grenzregion gebeten, um dort medizinisch-humanitäre Hilfe zu leisten. Mitarbeitende anderer humanitärer und zivilgesellschaftlicher Organisationen, die einen wesentlichen Teil der Hilfe vor Ort leisten, erhielten gar keinen Zugang. Sie sind außerdem einem wachsenden Risiko von Kriminalisierung ausgesetzt.  

Dieses Verbot wirkt wie eine Augenbinde. Wir wissen nicht, was in dem dicht bewaldeten Gebiet zwischen Polen und Weißrussland passiert. Und Menschen, die wir nicht sehen, können wir auch nicht helfen“, sagt Andreas Spaett, Landeskoordinator von Ärzte ohne Grenzen in Polen. „Alle Menschen, die in Polen Schutz suchen, sollten mit Menschlichkeit und Würde behandelt werden. Alle humanitären Organisationen sollten Zugang bekommen“. 

Die jüngsten Entwicklungen, darunter das neue polnische Gesetz sowie das Betretungsverbot für das Grenzgebiet, bergen lebensbedrohliche Risiken für Schutzsuchende vor Ort. Solange zivilgesellschaftliche Organisationen nicht in die Pufferzone dürfen, haben die Menschen keinen Zugang zu humanitärer und medizinischer Hilfe“ - Lara Dovifat, politische Leiterin von Ärzte ohne Grenzen in Deutschland.  


In der ersten Jahreshälfte 2024 hatte Ärzte ohne Grenzen 99 Einsätze im Grenzgebiet und behandelte 142 Menschen, die unter extremer Erschöpfung, Gewaltverletzungen oder Magen-Darm-Infektionen litten. 32 von ihnen waren so erschöpft, dehydriert, unterkühlt oder verwundet oder waren wegen chronischer Erkrankungen oder einer Schwangerschaft in einem so kritischen Zustand, dass sie in eine Klinik verlegt werden mussten. Die meisten der Patient*innen berichteten, dass sie mehrere Wochen in dem bewaldeten Gebiet zwischen den Grenzzäunen verbracht hatten. Im Schnitt waren sie 21 Tage lang dort, einige sogar 90 Tage lang – bei nur sehr eingeschränkter Versorgung mit Nahrungsmitteln und Wasser. Unter solchen Bedingungen können gesundheitliche Probleme ohne zeitnahe medizinische Versorgung schnell lebensbedrohlich werden. Das Gebiet wird von Geflüchteten auch als Todeszone bezeichnet. 
  
Ärzte ohne Grenzen fordert die polnischen Behörden auf, alle notwendigen Maßnahmen zu ergreifen, die: 

  1. sicherstellen, dass alle Menschen in Not Zugang zu humanitärer Hilfe, medizinischer Versorgung und rechtsstaatlichen Asylverfahren haben.   
  2. Humanitären Organisationen und der Zivilgesellschaft Zugang zum gesamten Grenzgebiet gewähren, einschließlich der Pufferzone, was für die Bereitstellung lebensrettender Hilfe für Menschen in Not unabdingbar ist. 

    Außerdem sollten sie:
  3. Gesetzesänderungen überprüfen, die die Gefahr bergen, dass die Anwendung gewaltsamer Praktiken an der Grenze weiter legitimiert wird.    
  4. Schädliche Narrative im Zusammenhang mit humanitären Hilfsmaßnahmen beenden. 

Deutschsprachige Expert*innen von Ärzte ohne Grenzen stehen für Interviews zur Verfügung. 

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Unsere Pressereferentin Nadja Nolting
Nadja Nolting
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