Der italienische Senat billigt das „Flow-Dekret“: Strafen für Menschen in Not und NGOs
Gemeinsames Statement von: Mediterranea Saving Humans, Open Arms, Resq, Sea-Watch, SOS Humanity, SOS MEDITERRANEE und Ärzte ohne Grenzen.
Zivilgesellschaftliche Organisationen, die Such- und Rettungseinsätze (SAR) im zentralen Mittelmeer durchführen, sind äußerst besorgt über einen weiteren Versuch der italienischen Regierung, die Rettung von Menschen in Seenot zu bestrafen und damit NGOs zu kriminalisieren.
„Das eigentliche Ziel des Gesetzesdekrets ist nicht eine bessere Koordinierung der Rettungseinsätze auf See, sondern die Behinderung der Arbeit von Hilfsorganisationen durch die Kriminalisierung ihrer Tätigkeit. Auf diese Weise sollen Such- und Rettungsschiffe aus dem Mittelmeerraum entfernt werden.“ Mit diesen Worten kommentieren SAR-Organisationen die Verabschiedung des Gesetzesdekrets 145/2024, auch bekannt als „Flow Decree “, durch den Senat.
„Dieses neue Dekret bringt zusätzliche Sanktionen mit sich, sowohl in Form von Festsetzungen als auch Geldstrafen von bis zu zehntausend Euro, einschließlich der Befugnis zur Beschlagnahmung von Rettungsschiffen. Darüber hinaus wird auch die Tätigkeit von NGO-Flugzeugen ins Visier genommen. Dabei haben diese entscheidend zur Rettung von Booten in Seenot beigetragen und schwere und systematische Menschenrechtsverletzungen dokumentiert. Zu diesen Rechtsbrüchen gehören unter anderem Versäumnisse bei Rettungsaktionen, ungerechtfertigte Verzögerungen bei Einsätzen und die Beihilfe zu erzwungenen Rückführungen infolge des gewaltsamen Abfangens von Booten in Seenot. Nach Ansicht der unterzeichnenden NGOs zielt diese Gesetzgebung darauf ab, die gesetzliche Pflicht zur Meldung von Booten in Seenot zu schwächen. Es wird auch befürchtet, dass diese gesetzlichen Maßnahmen ein Versuch sind, die Flugzeuge zu Werkzeugen für das systemische Abfangen von Booten durch die libysche Küstenwache zu machen."
„Darüber hinaus werden die im Piantedosi-Dekret vorgesehenen Strafmaßnahmen für NGO-SAR-Schiffe noch einmal zusätzlich verschärft. Erstens kann die Dauer der ersten administrativen Festsetzung eines Schiffes jetzt je nach Schwere des Verstoßes auf 10 bis 20 Tage festgelegt werden. Aber bis zur Umsetzung der Anordnung durch die Behörden wird weiterhin ein Auslaufverbot verhängt. Dies bedeutet zusätzliche Tage, an denen das Schiff festgesetzt ist, ohne die Möglichkeit, Rechtsmittel einzulegen. Darüber hinaus führt die Wiederholung eines Verstoßes innerhalb der letzten 5 Jahre zu einer Verschärfung der Strafmaßnahmen. Dies gilt nicht nur bei einer wiederholten Verletzung des Dekrets durch denselben/dieselbe Kapitän*in, sondern auch durch dieselbe Reederei.“
„Es ist wiederholt vorgekommen, dass Schiffe von NGOs aufgrund falscher Angaben der libyschen Küstenwache festgesetzt wurden, ohne dass Gesprächsaufzeichnungen oder der Austausch von E-Mails oder Funksprüchen, die von den NGOs selbst stammen, überhaupt kontrolliert wurden. Zweitens wird durch die Einbeziehung der Reedereien die Wirkung der Sanktionen verschärft, da Kapitän*innen auf NGO-Schiffen in der Regel häufiger wechseln als die Reederei. Und nicht zuletzt verkürzt das Dekret die Fristen für die Einreichung von Beschwerden gegen die verhängten Festsetzungsmaßnahmen, die durch das Piantedosi-Dekret eingeführt wurden.“
„Einmal mehr“, so die unterzeichnenden NGOs, „scheint es das Ziel zu sein, denjenigen das Leben schwer zu machen, die täglich im zentralen Mittelmeer Leben retten und Zeug*innen von Völkerrechtsverletzungen werden. Es handelt sich um ein weiteres schädliches, unmenschliches und provokatives Gesetz, das zudem völlig rechtswidrig ist. In der Tat versucht die Regierung weiterhin, das Völkerrecht durch gewöhnliche Gesetze, Dekrete, Verordnungen und Verwaltungspraktiken zu umgehen, um den Menschen, die das Meer überqueren, und denen, die sie rettet, kurzfristig möglichst viel zuzumuten. Was wir erwarten, ist eine Zunahme der Todesfälle auf See, aber auch dieses Dekret wird die Solidarität derjenigen nicht bremsen, die wie wir wirklich versuchen, etwas zu tun, um das Leid anderer zu lindern.“