Gemeinsames Statement zur Einflussnahme der Pharmaindustrie auf eine Kampagne zur Impfgerechtigkeit
Berlin, 20. Januar 2023. Angesichts der Recherchen des Journals „The Intercept” zur versuchten Einflussnahme des Pharmaunternehmens Biontech auf eine Kampagne zur Impfgerechtigkeit äußern sich die Organisationen Ärzte der Welt, Ärzte ohne Grenzen, Brot für die Welt, BUKO Pharma-Kampagne, Difäm, medico international, Oxfam und UAEM Germany wie folgt:
Wir sind entsetzt über die versuchte Einflussnahme des Impfstoffherstellers Biontech auf eine Kampagne aus dem Jahr 2020, die zum Ziel hatte, den Zugang zu Covid-19-Impfstoffen für Menschen im Globalen Süden zu verbessern. Den „Intercept“-Recherchen zufolge hat Biontech die Plattform Twitter dazu aufgefordert, Twitter-Accounts des Unternehmens und seiner Geschäftsführung für zwei Tage zu „verstecken”, um kritische Kommentare zu verhindern. Außerdem scheint sich das dem Innenministerium zugehörige Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) für die Interessen des Privatunternehmens aktiv eingesetzt zu haben, indem es Biontech auf die geplante Kampagne hinwies. Dies bewerten wir als einen äußerst besorgniserregenden Vorgang.
Der jetzt aufgedeckte Austausch Biontechs mit dem BSI und Twitter ist einer von etlichen Versuchen der Pharmaindustrie, die legitime und demokratisch wichtige Arbeit zivilgesellschaftlicher Organisationen für eine gemeinwohlorientierte globale Gesundheitspolitik zu behindern.
Die deutsche Bundesregierung ist eine der größten Unterstützerinnen der Weltgesundheitsorganisation (WHO) und versteht sich selbst als „Global Health Champion“. Während der Pandemie forderte insbesondere die WHO Pharmaunternehmen nachdrücklich dazu auf, ihre Technologien über den bei der WHO angesiedelten Covid19 Technology Access Pool (C-TAP) zu teilen – auch für Impfstoffe. Auch dieses Vorhaben war Bestandteil der zivilgesellschaftlichen Kampagne. Damit deckt die Investigativrecherche auch die Doppelmoral der deutschen Gesundheitspolitik auf, bei der sogar während einer Pandemie die privatwirtschaftlichen Interessen Vorrang vor der öffentlichen Gesundheit haben. Immer wieder wurden Versuche unterminiert, Covid-19-Technologien, Wissen und weiteres geistiges Eigentum mit Herstellern in ärmeren Ländern zu teilen, um Marktmonopole von Akteuren wie Biontech zu schützen.
Es fügt sich in dieses Bild, dass sich die Große Koalition am Anfang der Pandemie immer wieder dafür ausgesprochen hatte, dass ein Covid-Impfstoff ein öffentliches Gut sein müsse, parallel dazu in der Welthandelsorganisation (WTO) aber sämtliche Initiativen für eine Lockerung geistigen Eigentums bei Covid-19-Impfstoffen hartnäckig blockierte – ebenso wie die aktuelle Ampelkoalition. Wenn die Bundesregierung ihr Engagement für globale Gesundheit sowie die selbstauferlegten Verpflichtungen im Rahmen der G7-Präsidentschaft 2022 wirklich ernst meint und künftigen Pandemien wirksam entgegenwirken will, darf sie sich nicht zum Instrument privatwirtschaftlicher Interessen machen und muss die Stimmen der Zivilgesellschaft im Diskurs ernst nehmen, statt sie auszubremsen.
Für Interviews stehen Meike Schwarz, politische Referentin bei Ärzte ohne Grenzen Deutschland und Max Klein, Projektkoordinator bei der BUKO Pharma-Kampagne ([email protected], Tel.: 0521 / 96879481), zur Verfügung.