Ärzte ohne Grenzen drängt auf günstigere Behandlung von Patient*innen mit medikamentenresistenter Tuberkulose
Genf/Berlin, 27. Oktober 2022. Am heutigen Donnerstag hat die Weltgesundheitsorganisation (WHO) den TB-Report 2022 vorgestellt. Eine Erkenntnis des Berichts ist, dass die geschätzten Tuberkulose-Inzidenzen weltweit zum ersten Mal seit zwei Jahrzehnten wieder ansteigen. Dies gilt auch für die schwieriger zu behandelnde Form der Krankheit, die medikamentenresistente Tuberkulose (DR-TB).
Nach wie vor wird nur einer von drei an DR-TB erkrankten Menschen weltweit behandelt. Die Erfolgsquote der Behandlung bleibt dabei mit 60 Prozent weltweit auf niedrigem Niveau.
Es ist daher von entscheidender Bedeutung, dass alle vorhandenen Instrumente zur Bekämpfung von Tuberkulose genutzt werden und möglichst viele Betroffene Zugang zu einer effektiven Behandlung bekommen.
Hierzu sagt Hannah Spencer, Expertin von Ärzte ohne Grenzen für die Behandlung von Tuberkulose und HIV:
„Medikamentenresistente Tuberkulose ist heilbar, aber alarmierender Weise steigen die Fälle weltweit zum ersten Mal seit Jahren wieder an. Deshalb ist es dringend erforderlich, dass kürzere, sicherere und wirksamere Behandlungen jetzt ausgeweitet werden, um Leben zu retten.
Es ist für uns nach wie vor erschütternd zu sehen, dass so viele Menschen weiterhin mit den längeren, älteren DR-TB-Behandlungsschemata zu kämpfen haben. Nationale Tuberkulose-Programme und Geber sollten sich verpflichten, bessere Behandlungen zur Verfügung zu stellen. Auch die Preise müssen sinken, so dass der Preis für eine komplette DR-TB-Behandlung nicht mehr als 500 Dollar pro Person beträgt. Jede Person, die an DR-TB erkrankt ist, sollte Zugang zu dieser bahnbrechenden neuen Behandlungsart haben.
Angesichts dieser ernüchternden Statistiken ist es dringend erforderlich, dass alle von der WHO empfohlenen Mittel optimal gegen Tuberkulose eingesetzt werden und dass mehr Geld in die Entwicklung neuer medizinischer Mittel zur Behandlung, Diagnose und Prävention von Tuberkulose investiert wird."
Zum Hintergrund:
Eine bahnbrechende klinische TB-Studie, der sogenannte TB-PRACTECAL (2021), hat gezeigt, dass neuere und kürzere rein orale 6-monatige DR-TB-Behandlungsschemata sicherer und wirksamer sind als die bisher akzeptierten Standards. Als Reaktion darauf empfahl die WHO im Mai 2022 zwei neue Behandlungsschemata für Menschen mit DR-TB, die die bisherigen ersetzen sollten: darunter das 6-monatige sogenannte BPaLM-Schema, das in der TB-PRACTECAL-Studie von Ärzte ohne Grenzen mit einer Erfolgsquote von 89 Prozent bewertet wurde.
Das neue BPaLM-Schema könnte sich enorm positiv auf die Qualität der Versorgung vieler der 500.000 Menschen auswirken, die jedes Jahr an DR-TB erkranken. Doch der derzeitige niedrigste Weltmarktpreis für eine sechsmonatige BPaLM-Behandlung ist mit rund 700 US-Dollar immer noch zu hoch, was die Akzeptanz in Ländern mit hoher TB-Belastung bremsen könnte. Die beiden teuersten Medikamente des BPaLM-Schemas, Pretomanid und Bedaquilin, sind beide mit öffentlichen Mitteln entwickelt worden und könnten zu einem deutlich niedrigeren Preis als dem derzeitigen hergestellt und mit Gewinn verkauft werden. Deswegen fordert Ärzte ohne Grenzen, dass der Preis für eine komplette DR-TB-Behandlung nicht mehr als 500 US-Dollar pro Person betragen dürfe.