Tuberkulose in Europa: Ärzte ohne Grenzen fordert dringend besseren Zugang zu Medikamenten
Berlin, 7. Juni 2024. Ärzte ohne Grenzen fordert den Abbau von Hürden für den Zugang zur Behandlung von Tuberkulose (TB) in Europa. Gemeinsam mit Aktivist*innen appelliert die internationale Organisation an die politischen Entscheidungsträger*innen, die Richtlinien und politischen Rahmenbedingungen anzupassen und in Einklang mit den Leitlinien der Weltgesundheitsorganisation (WHO) zu bringen.
Viele TB-Medikamente, die in Ländern mit niedrigem und mittlerem Einkommen zugänglich sind, bleiben in Europa zu teuer oder sind nicht erhältlich.
Am gestrigen Donnerstag war ein Treffen der WHO mit Vertreter*innen des europäischen Gesundheitswesens und der Zivilgesellschaft zur Verbesserung des Zugangs zu Tuberkulosemedikamenten in der Europäischen Union (EU) und im Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) zu Ende gegangen.
Die europäischen Regierungen können es sich nicht leisten, hinterherzuhinken und jahrzehntelange Fortschritte und Menschenleben aufs Spiel zu setzen, die bei einem rechtzeitigen Zugang zu wirksamen Tuberkulosebehandlungen gerettet werden könnten" - Christophe Perrin, Tuberkulose-Experte bei der Medikamentenkampagne von Ärzte ohne Grenzen.
Ärzte ohne Grenzen fordert die politischen Entscheidungsträger*innen und zuständigen Gesundheitsabteilungen auf nationaler und regionaler Ebene auf, ihre gemeinsamen Bemühungen zu verstärken, um:
Den Zugang zu neueren Tuberkulosemedikamenten zu bezahlbaren Preisen für alle Länder der EU und des EWR, entweder durch bestehende Initiativen oder durch gemeinsame Verhandlungen mit den Lieferanten, sicherzustellen.
Die Zulassung aller Tuberkulosemedikamente in den EU-/EWR-Ländern sicherzustellen und die rechtzeitige Vermarktung unter Nutzung bestehender rechtlicher Spielräume zu gewährleisten und die Bedarfe an die Hersteller zu übermitteln.
Im Jahr 2022 hatte Ärzte ohne Grenzen damit begonnen, auf die Bedürfnisse der Geflüchteten zu reagieren, die aus der Ukraine nach Polen und in die Slowakei kamen. Die Organisation unterstützte dabei unter anderem eine große Zahl von Menschen, die von Tuberkulose und ihren arzneimittelresistenten Formen betroffen waren. Es wurde jedoch bald klar, dass Polen und die Slowakei nicht ausreichend auf die Behandlung von Tuberkulose vorbereitet waren, da sie nur über eine begrenzte medizinische Infrastruktur verfügten, die Standards für Tests, Behandlung und Prävention von Tuberkulose veraltet waren und die WHO-Leitlinien nicht in die nationale Gesundheitspolitik integriert waren. Dieser Mangel zeigt sich auch in den meisten anderen EU-/EWR-Ländern, wo neuere und vorhandene Medikamente aufgrund hoher Preise oder fehlender Zulassung unzugänglich bleiben, darunter die von der WHO empfohlenen rein oralen Behandlungen für DR-TB, kinderfreundliche Behandlungsschemata sowie kürzere präventive TB-Behandlungen, von denen die meisten in Ländern mit niedrigem und mittlerem Einkommen weitgehend verfügbar sind.
So kostet beispielsweise das von der WHO empfohlene sechsmonatige, rein orale Behandlungsschema für arzneimittelresistente Tuberkulose, bestehend aus Bedaquilin, Pretomanid, Linezolid und Moxifloxacin (BPaLM), in vielen EU-/EWR-Ländern mehr als 40.000 Euro, während es in Ländern mit niedrigem und mittlerem Einkommen über die Global Drug Facility, einen internationalen Mechanismus zur Beschaffung von Tuberkulosemedikamenten und Diagnostika, für 380 Euro erhältlich ist.