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Ukraine

Ukraine: Lage in Mariupol und unsere Aktivitäten

5. März 2022. Die Stadt Mariupol ist derzeit besonders stark von den Kampfhandlungen in der Ukraine betroffen. Mehrere Mitarbeitende von Ärzte ohne Grenzen befinden sich mit ihren Familien in der Stadt. Im ganzen Land sowie den Grenzregionen in den Nachbarländern haben unsere Teams begonnen, auf den größer werdenden Bedarf an humanitärer Hilfe zu reagieren. Ein Team-Mitglied berichtet aus Mariupol:

„Die Lage hier ist dieselbe wie in den vergangenen Tagen. Heute Nacht war der Beschuss aber stärker und näher. Wir haben gestern Schnee und Regenwasser gesammelt, um etwas Wasser zu haben. Heute haben wir versucht, kostenlos Trinkwasser zu bekommen, aber die Schlange war zu lang. Wir wollten auch Brot holen, aber wir wussten nicht, wann und wo es verteilt wird. Leute berichten, dass mehrere Lebensmittelgeschäfte durch Raketen zerstört wurden. Was übrig blieb, haben Menschen in ihrer Not mitgenommen. Es gibt immer noch keinen Strom, kein Wasser, keine Heizung und keine Handy-Verbindung. Von einer Evakuierung hat hier noch niemand gehört. Apotheken haben keine Medikamente mehr.“ 

Christine Jamet, Einsatzleiterin von Ärzte ohne Grenzen, fordert sichere Fluchtwege, damit die Zivilbevölkerung einschließlich der Mitarbeitenden von Ärzte ohne Grenzen und ihre Familien aus Mariupol fliehen können. Die Menschen sitzen derzeit in Mariupol in der Falle, wo der Krieg so plötzlich einsetzte, dass viele nicht einmal fliehen konnten. 

„Zivilistinnen und Zivilisten dürfen nicht in einem Kriegsgebiet in einer Falle sitzen“, sagt Jamet. „Menschen, die sich in Sicherheit bringen wollen, müssen dies tun können, ohne Angst vor Gewalt.“ 

Vorbereitung und Ausweitung der Aktivitäten: Hilfslieferungen und Teams erreichen die Ukraine 

Bereits bestehende Projekte in der Ukraine wurden auf den Notfallmodus umgestellt. Erfahrene Mitarbeiter*innen erreichen die Grenzregionen sowie die Ukraine selbst, und erste Lieferungen mit Medikamenten und medizinischem Material treffen ein.  

Es ist schwierig, einen genauen Überblick sowie verlässliche Informationen über die medizinischen Bedürfnisse der Menschen in der Ukraine zu bekommen. Die anhaltenden Kämpfe machen Bewegungen innerhalb des Landes schwierig und gefährlich, zum Teil sogar unmöglich. Kommunikationsnetze sind nicht immer verfügbar, und Informationen aus den Medien und sozialen Medien müssen sorgfältig geprüft werden, da viele Falschinformationen zirkulieren.  

Teams von Ärzte ohne Grenzen in Kiew und einigen anderen Städten wie Schytomyr und Sewerdonezk sind derzeit dabei zu evaluieren, wo Bedarf an medizinischer Hilfe besteht. Sie stehen unter anderem mit ukrainischen Krankenhäusern in Kontakt, um herauszufinden, wo diese Unterstützung brauchen, wie viele Verletzte in die Krankenhäuser eingeliefert werden und ob es ausreichend Kapazitäten gibt, diese zu behandeln. 

Die Teams bereiten sich darauf vor, auf unterschiedliche Szenarien und Bedürfnisse reagieren zu können, z.B. im Bereich der Chirurgie und Notfallmedizin oder bei der psycho-sozialen Unterstützung für die Menschen, die fliehen mussten.  

Bislang geht es vor allem darum, Hilfslieferungen ins Land zu bekommen, um diejenigen Krankenhäuser mit Material zu versorgen, die viele Verwundete behandeln. In einigen Krankenhäusern werden die Vorräte bereits knapp, zum Beispiel an Erste-Hilfe-Sets und OP-Material.  

Die ersten Materialtransporte von Ärzte ohne Grenzen kommen in diesen Stunden und Tagen in der Ukraine an. Es handelt sich um Trucks, die aus den Lagern der Organisation in Brüssel und Bordeaux kommen und vor allem medizinisches Material und Medikamente transportieren. 

In einigen Städten – in Kiew, Kramatorsk und Mariupol – haben die Teams bereits Krankenhäuser mit medizinischem Material versorgt. Ärzte ohne Grenzen hat außerdem Material in Polen eingekauft, um damit polnische Organisationen zu unterstützen, die vor Ort helfen.  

Wegen der chaotischen Lage an den Grenzen dauert es etwas herauszufinden, welche Grenzübergänge die geeignetsten sind, um Teams und Materialien ins Land zu bringen.  

Auswirkungen der Kämpfe auf die Zivilbevölkerung im Osten der Ukraine 

Ärzte ohne Grenzen war seit 2014 im Osten der Ukraine tätig, wo die Lage für die Menschen aufgrund der Kämpfe derzeit besonders hart ist. Teams von Ärzte ohne Grenzen stehen in Kontakt mit einigen Krankenhäusern dort und hören, dass ihnen langsam das Material ausgeht. 

Ärzte ohne Grenzen ist besorgt, dass z.B. ältere Menschen im Osten der Ukraine nicht ausreichend Zugang zu medizinischer Versorgung haben, die sie dringend brauchen. Die ohnehin schlechte Infrastruktur in der Region wird sich angesichts der aktuellen Kämpfe vermutlich noch verschlechtern, was den Zugang der Menschen zu Gesundheitsversorgung erschwert.  

Hilfe für Flüchtende in Nachbarländern 

In den vergangenen Tagen sind Hunderttausende Menschen aus der Ukraine in Nachbarländer geflohen oder suchen innerhalb der Ukraine Schutz. Das Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen meldete diese Woche mehr als eine Million Flüchtlinge (UNHCR, 3. März).  

Teams von Ärzte ohne Grenzen sind inzwischen in Polen, Ungarn, der Slowakei, Rumänien, der Republik Moldau, Belarus und Russland aktiv und evaluieren, ob die Ankommenden humanitäre Hilfe brauchen.  

Ärzte ohne Grenzen prüft zudem, wie Teams die Menschen unterstützen können, die innerhalb der Ukraine vor Kämpfen geflohen sind. 

Polen 

Nach Angaben des UNHCR sind eine halbe Million Menschen aus der Ukraine nach Polen geflohen. An der polnisch-ukrainischen Grenze haben Teams von Ärzte ohne Grenzen Projekte auf beiden Seiten der Grenze gestartet. Sie sehen dort Menschen zu Fuß oder mit dem Auto die Grenze überqueren. Viele sind extrem müde und erschöpft und haben bis zu drei Tage bei Wintertemperaturen in ihren Autos warten müssen, um die Grenze zu überqueren, darunter auch Kinder und Babies.  

Die Teams berichten, dass lokale Behörden, Nichtregierungsorganisationen, zivilgesellschaftliche Gruppen und Freiwillige Männern, Frauen und Kindern beim Grenzübertritt helfen und Tee, Suppe und Decken bereitgestellt haben.  

Die Aktivitäten von Ärzte ohne Grenzen in Polen sind bislang noch begrenzt. Ein Teil der Mitarbeiter*innen der Organisation wird sehr wahrscheinlich von Polen arbeiten, indem sie unsere Teams in der Ukraine mit Medikamenten und medizinischer Ausrüstung versorgen. 

Ungarn  

Ein Team in Ungarn ermittelt die Bedürfnisse der Menschen, die die Grenze der Ukraine nach Ungarn überqueren, insbesondere die der vorerkrankten oder besonders gefährdeten Menschen und Gruppen.  

Republik Moldau 

Ärzte ohne Grenzen hat Teams in den Südosten der Republik Moldau entsandt, um die Situation von flüchtenden Menschen an den Grenzübergängen zu beurteilen. Dabei prüfen sie insbesondere, ob chronisch oder psychisch Erkrankte Unterstützung benötigen. Zudem ist ein Team aus der Republik Moldau in die Ukraine gereist, um zu prüfen, ob Städte wie Odessa, Mykolajiw oder Cherson von dort aus erreichbar sind.  

Slowakei 

Nach Angaben des UNHCR sind bis zum 2. März rund 79.000 Geflüchtete in die Slowakei gelangt, wobei die meisten Menschen offenbar auf der Durchreise sind. Ein Team von Ärzte ohne Grenzen ist diese Woche im Land eingetroffen. Es hat sich bisher mit Verwaltungsbeamten und Vertreter*innen lokaler NGOs getroffen und einige Grenzgebiete besucht, um ungedeckten medizinischen und humanitären Bedarf zu ermitteln.  

Russland 

In den Regionen Archangelsk und Wladimir betreibt Ärzte ohne Grenzen seit Längerem in Zusammenarbeit mit den örtlichen Gesundheitsbehörden Projekte für Menschen, die an resistenten Formen der Tuberkulose erkrankt sind.  

Im Süden Russlands evaluieren Teams der Organisation derzeit, ob dort weiterer Bedarf an medizinischer oder humanitärer Hilfe entstanden ist. Sie haben einige Spenden wie Lebensmittel, Hygienesets und Medikamente zur Unterstützung von Geflüchteten bereitgestellt. 

Belarus 

In Belarus laufen die regulären Programme weiter. Wir unterstützen das nationale Tuberkuloseprogramm sowie die Behandlung von Hepatitis C in Gefängnissen. Im Jahr 2021 haben Teams in Belarus Menschen unterstützt, die auf ihrem Weg in die EU in der Grenzregion von Belarus gestrandet waren. Die Teams von Ärzte ohne Grenzen in Belarus prüfen derzeit, ob zusätzlicher Bedarf an medizinisch-humanitärer Unterstützung besteht.  

Überblick: Unsere Hilfe in der Ukraine

Angesichts des Krieges leisten wir humanitäre Hilfe. Wir liefern Hilfsgüter, helfen medizinisch sowie psychologisch und evakuieren Patient*innen. Zivilist*innen müssen geschützt werden!