Vergessene Krise Zentralafrikanische Republik: Menschen brauchen dringend mehr humanitäre Hilfe
Bangui/Berlin, 3. November 2023. Angesichts des sich immer weiter verschlechternden Zustandes des Gesundheitssystems in der Zentralafrikanischen Republik fordert Ärzte ohne Grenzen ein Aufstocken der humanitären Hilfe. Die Bewohner*innen des Landes haben so gut wie keinen Zugang zu medizinischer Versorgung, die Lebenserwartung beträgt nur etwa 54 Jahre. Auf zehntausend Menschen kommen rechnerisch 0,6 Ärzte – das ist einer der niedrigsten Werte der Welt.
Die Situation des Gesundheitssystems in der Zentralafrikanischen Republik ist schockierend, aber ich bin fast ebenso schockiert über die mangelnde internationale Aufmerksamkeit, die ihr zuteil wird. Trotz des Ausmaßes der Krise und der erschütternden Statistiken ist die Not der Menschen nach wie vor weitgehend unbekannt, und die für das Land bereitgestellten humanitären Mittel reichen bei Weitem nicht aus. Viele Nichtregierungsorganisationen sind nicht dauerhaft in den Gebieten präsent, in denen der Bedarf am größten ist. Es muss viel mehr getan werden, um die Menschen zu unterstützen.
-René Colgo, Einsatzleiter von Ärzte ohne Grenzen in der Zentralafrikanischen Republik
Beispielhaft für den katastrophalen Zustand des Gesundheitssystems ist die Situation im Sekundärkrankenhaus von Bakouma in der Präfektur Mbomou. Dort hat ein ehemaliger Arzt von Ärzte ohne Grenzen, Louis-Marie Sabio, Anfang 2023 die Leitung übernommen. „Als ich hier ankam, hatte ich das Gefühl, in eine Leere zu fallen“, sagt er. „Zwölf Jahre lang war hier kein einziger Arzt anwesend. Das Krankenhaus wurde von einem Gesundheitsassistenten geleitet. Wobei ‚Krankenhaus' ein großes Wort ist. Es gibt keinen Strom, keinen Krankenwagen und Betten ohne Matratzen. Als ich ankam, gab es nicht einmal ein Thermometer, ein Blutdruckmessgerät, ein Pulsoximeter oder ein Blutzuckermessgerät. Auch die Apotheke war leer.“
Auch jetzt noch ist das Krankenhaus gespenstisch still, weniger als zehn Patient*innen sind anwesend. Auf den Fluren und Stationen tummeln sich Hühner zwischen zerbrochenen Waagen und rostigen Tischen. „Wir sind 18 Personen, die das Krankenhaus betreiben, aber ich bin der einzige mit einer medizinischen Ausbildung“, sagt Sabio. „Wegen unserer begrenzten technischen Mittel können wir die grundlegenden Anforderungen an ein Krankenhaus nicht erfüllen. Wir haben keinen Strom, so dass wir keine Ultraschall- oder Röntgenaufnahmen machen können. Der Operationssaal ist praktisch kahl, nur mit einem kleinen Solarpanel ausgestattet, das zwei Glühbirnen betreibt. Wenn Patient*innen Medikamente brauchen, müssen wir sie auf den örtlichen Markt schicken und hoffen, dass sie etwas finden.“ Abgesehen von den Impfungen und Überweisungen, die von Ärzte ohne Grenzen zur Verfügung gestellt werden, erhält die Einrichtung keine weitere Unterstützung.
Dieses Bild wiederholt sich in Gesundheitseinrichtungen in der gesamten Zentralafrikanischen Republik. Einem aktuellen Bericht der Weltgesundheitsorganisation (WHO) und des Gesundheitsministeriums zufolge ist weniger als die Hälfte der Gesundheitseinrichtungen des Landes voll funktionsfähig. Jahrzehntelange politische Unruhen und Gewalt zwischen bewaffneten Gruppen haben zu einer massiven Krise geführt, so dass mehr als die Hälfte der sechs Millionen Einwohner*innen des Landes auf humanitäre Hilfe angewiesen ist. Schwangere sind aufgrund des Mangels an Gynäkolog*innen einem hohen Risiko ausgesetzt, zu sterben oder schwer zu erkranken. Die Kindersterblichkeitsrate gehört zu den höchsten der Welt.
Ärzte ohne Grenzen hat fast 2.800 Mitarbeiter in dem Land - es ist eines der größten Programme in den 75 Ländern, in denen die Organisation tätig ist. Die meisten Mitarbeitenden kommen aus der Zentralafrikanischen Republik und arbeiten daran, den Zugang zur Gesundheitsversorgung in einigen der am stärksten vernachlässigten Gebieten zu verbessern.
Seit Jahren fordert Ärzte ohne Grenzen die Regierungen und humanitären Akteure immer wieder zum Handeln auf, doch die Situation verschlechtert sich trotzdem weiter. Um einen Wandel herbeizuführen, ist es höchste Zeit, die Situation in der Zentralafrikanischen Republik als das zu sehen, was sie wirklich ist: eine schwere und dauerhafte humanitäre Krise, die die Mobilisierung aller erfordert.
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