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„Unsere Arbeit kann viel bewirken“ – Brief aus dem Projekt

Regenzeit, Malaria und dennoch gute Stimmung im Team. Nadja Tariverdian arbeitet seit Mitte Juni in der Region Gambella im Westen Äthiopiens. Die junge Ärztin berichtet aus ihrem ersten Einsatz mit uns.

„Ich bin froh, jetzt in dem Projekt in Pugnido zu sein. Hier leben vor allem Menschen aus dem Südsudan, die vor den Kämpfen in ihrer Heimat geflohen sind. In der unmittelbaren Umgebung des Ortes mit einer Bevölkerung von 9.000 Einwohnern leben etwa 68.000 Flüchtlinge. Ein Teil dieser Menschen lebt hier schon seit mehr als zwanzig Jahren. Daher sind viele Zelte Lehmhütten gewichen. Neben dem Orange der unasphaltierten Straßen und Wege fällt aktuell viel Grün auf: zwischen den Hütten wachsen Gräser und Mais. Leider sind ganze Viertel des Camps immer wieder überschwemmt.

Seit Ende 2015 betreibt Ärzte ohne Grenzen in einem der Camps eine Ambulanz, um Leben zu retten – besonders Kinder unter fünf Jahren sind gefährdet. Die häufigsten Krankheiten sind Folgen der schlechten Hygiene-Bedingungen: Durchfallerkrankungen, Haut- und Augeninfektionen sowie Atemwegsinfekte einschließlich Lungenentzündungen. Das sind alles keine Krankheiten, an denen Kinder sterben müssten. Unsere Arbeit hier kann wirklich viel bewirken.

400 Patienten am Tag

Gerade hat die Regenzeit begonnen, und die Malaria-Saison setzt ein. Die gesundheitlichen Probleme im Camp werden dadurch weiter verschärft. Zurzeit kommen jeden Tag zwischen 300 und 400 Patientinnen und Patienten in unsere Ambulanz. Sie werden von meinen äthiopischen Kolleginnen und Kollegen untersucht und behandelt. Meine Aufgabe ist es vor allem, das medizinische Team zu leiten und Weiterbildungen zu organisieren.

Für meine anderen Kollegen des internationalen Teams stehen weitere Aufgaben im Fokus: Die Hygienebedingungen im Lager müssen verbessert werden, zum Beispiel durch den Bau von Latrinen. Und wir haben rund 30 Flüchtlinge zu Gesundheitsberatern ausgebildet. Sie erklären den Menschen unter anderem den Gebrauch von Moskitonetzen und die wichtigsten Hygieneregeln.

Schon wieder Malaria

Vor kurzem haben mein Team und ich zum Beispiel einen dreijährigen Jungen behandelt. Er hatte hohes Fieber, Halsschmerzen und entzündete Augen. Vor einigen Wochen wurde er bei uns schon einmal wegen Malaria behandelt. Mein äthiopischer Kollege Dame Fiseha veranlasste auch diesmal einen Malaria-Test, der erneut positiv ausfiel. Der Ernährungszustand des Jungen war zum Glück unbedenklich. Neben der Malaria-Erkrankung stellte Dame eine bakterielle Bindehautentzündung und eine Mandelentzündung fest. Nachdem wir die verschiedenen Behandungsmöglichkeiten diskutiert hatten, verschrieben wir ihm Malaria-Medikamente sowie ein Antibiotikum und eine antibiotische Augensalbe. Auch Seife bekam die Mutter von uns, damit sie die Haut des Jungen, vor allem um die Augen, sauber halten konnte. Wir erklärten ihr, warum das wichtig ist und dass sie wiederkommen sollte, wenn sich der Zustand des Kindes nach zwei Tagen nicht gebessert hat.

Auch viele andere kleine Kinder werden jeden Tag von ihren Eltern gebracht. Viele sind mit Malaria infiziert. Die Krankheit zählt hier zu den Haupttodesursachen bei Kindern unter fünf Jahren. Die Behandlung mit wirksamen Medikamenten rettet unmittelbar Leben.

Neues Gesundheitszentrum

Doch nicht immer können wir mit solch verhältnismäßig einfachen Mitteln so gut helfen. Zunehmend stellen wir fest, dass die Möglichkeiten nicht ausreichend sind, schwer kranke Patienten für eine intensivere stationäre Behandlung zu überweisen. Das nächste besser ausgestattete Krankenhaus liegt in der Distrikthauptstadt Gambella. Doch diese ist mit dem Auto zweieinhalb Stunden entfernt. Aufgrund dieser Entfernung, aber auch aufgrund des hohen Patientenaufkommens innerhalb der Flüchtlingscamps und aus der heimischen äthiopischen Bevölkerung, haben wir uns dazu entschlossen, ein Gesundheitszentrum in Pugnido zu eröffnen. In dem Gebäude eines vorher geschlossenen Krankenhauses werden wir in Absprache mit den äthiopischen Behörden die Arbeit aufnehmen. 

Bisher sind meine Erfahrungen hier sehr positiv. Wenn wir ein paar Sicherheitsregeln beachten, können wir uns in Pugnido frei bewegen. Ein paar Mal in der Woche essen wir im Ort. Spaziergänge ins Zentrum bieten die Möglichkeit, außerhalb der Arbeit Kontakt zu unseren zahlreichen äthiopischen Kollegen und den Menschen hier zu pflegen – zum Beispiel bei einem guten, extrem starken äthiopischen Kaffee.

Leben im Projektalltag

Die internationalen Mitarbeiter – unsere Projektkoordinatorin, der medizinische Leiter, ein Krankenpfleger, eine Hebamme, ein Logistiker, ein Hygienespezialist und eine Ärztin – stammen aus allen Himmelsrichtungen: Kenia, Sierra Leone, Südsudan, Niederlande, Neuseeland, Uganda und Deutschland. Wir leben in einem Haus auf einem umzäunten Grundstück zusammen, jeder hat ein eigenes Zimmer. Wir essen in einem kleinen Gartenhaus, meistens gibt es Injeera (ein säuerliches Brot) mit Gemüse oder Fleisch. Aus verschiedenen Metallgestellen haben wir einen Grill gebaut. Ab und zu wird eine Ziege geschlachtet.

Ich lerne viel von meinen Kollegen, die zum Teil seit mehr als zehn Jahren mit Ärzte ohne Grenzen arbeiten und daher über große Erfahrung verfügen. Außerdem ist der Austausch alltäglicher Gewohnheiten und Perspektiven mit Menschen aus aller Welt toll. Die Stimmung ist bei der Arbeit und in der Freizeit gut und trotz der Gründe, aus denen wir hier sind, oft ausgelassen. Das hilft uns sehr, um uns weit weg von zu Hause wohlzufühlen. Die unzuverlässigen Telefon- und Internetverbindungen erschweren den Kontakt mit Familie und Freunden. Ich lerne es immer wieder sehr zu schätzen, wenn ein längeres Gespräch dann doch mal klappt. Strom bekommen wir über einen Generator. Elf Uhr ist Licht-Aus. Fließendes Wasser wird durch Tankladungen ermöglicht, die zu uns gebracht werden. Da ist Wasser natürlich kostbar. Von unserer Unterkunft können wir ins Büro und ins Krankenhaus laufen. Zur Ambulanz im Camp fahren wir mit dem Auto etwa eine Viertelstunde. 

700.000 Flüchtlinge im Land

Die Sicherheitssituation im Lager ist nicht immer vorhersehbar. Manchmal müssen wir unsere Arbeit kurzzeitig sogar unterbrechen. Deshalb halten wir Sicherheitsregeln ein, wie beispielsweise eine strenge Sperrstunde. Auf diese und andere Sicherheitsaspekte wurde ich im Vorbereitungskurs in Deutschland intensiv vorbereitet, und ich fühle mich diesbezüglich gut informiert und versorgt. Ein Restrisiko bleibt.

Ärzte ohne Grenzen ist seit vielen Jahren in verschiedenen Regionen Äthiopiens tätig. Auch wenn positive ökonomische Entwicklungen zu beobachten sind, besonders in den Städten, lebt der Großteil der Bevölkerung noch immer in großer Armut. Zu den Menschen im Land, die besonders dringend Hilfe benötigen, gehören mehr als 700.000 Flüchtlinge – wie jene in Pugnido. 

Ich bin dankbar, hier sein und meinen Teil zum Gelingen des Projektes und damit der Gesundheit der Menschen beizutragen. Ich freue mich auf die verbleibenden Monate meines Einsatzes. Bis Mitte Dezember werde ich noch vor Ort sein.