Die aktuelle Situation in Äthiopien
Nach Schätzungen der Vereinten Nationen benötigten im Jahr 2024 mehr als 21 Millionen Menschen in Äthiopien humanitäre Hilfe. Viele Menschen waren und sind mit den tragischen Folgen von Konflikten konfrontiert. Seit Ende 2020 herrschte in dem Land Bürgerkrieg zwischen äthiopischen Regierungstruppen und der sogenannten Volksbefreiungsfront von Tigray. Ende Juni 2021 wurden drei Mitarbeiter*innen von Ärzte ohne Grenzen in Tigray ermordet. Auch nach umfangreichen Gesprächen mit den äthiopischen Behörden wissen wir nicht, was mit unseren Kolleg*innen geschehen ist. Wir trauern um sie und verurteilen diesen Angriff auf das Schärfste. Wir werden nicht damit aufhören, den Geschehnissen nachzugehen.
Im November 2022 wurde zwischen beiden Parteien ein Friedensabkommen unterzeichnet, doch die Situation bleibt fragil. Viele Menschen, darunter auch Kinder und Jugendliche, haben Gewalt erlebt und sind häufig schwer traumatisiert. Sie benötigen nicht nur medizinische Hilfe, sondern auch dringend psychosoziale Unterstützung. Hinzu kommen extreme Wetterbedingungen in Folge der Klimakrise.
Wie wir in Äthiopien helfen
- Wir bieten essenzielle Gesundheitsversorgung in zehn Regionen an.
- Geflüchtete aus benachbarten Ländern unterstützen wir medizinisch.
- Wir reagieren auf Ausbrüche von Infektionskrankheiten wie Masern und Cholera und arbeiten bei Impfkampagnen mit.
- Malaria behandeln wir und beugen Infektionen vor, unter anderem setzen wir einen neuen Impfstoff ein.
- In der Region Tigray haben wir 600 Wasserpumpen repariert und so die Versorgung mit sauberem Wasser unterstützt.
- In der stark vom Konflikt betroffenen Region Amhara und in Oromia haben wir medizinische Hilfsgüter gespendet.
- Wir behandeln Mangelernährung, und bieten pädiatrische und geburtshilfliche Versorgung an.
- Auch die Versorgung bei Erkrankungen mit vernachlässigten Krankheiten wie Schlangenbissen und Kala-Azar unterstützen wir.
- Wir behandeln Überlebende von sexualisierter oder geschlechtsspezifischer Gewalt psychologisch und medizinisch.
Warum wir in Äthiopien helfen
In Äthiopien leben mehr als eine Millionen Geflüchtete aus benachbarten Ländern wie dem Südsudan, Eritrea oder Somalia – dazu kommen 4,5 Millionen Menschen, die innerhalb des Landes vertrieben wurden. Es fehlt ihnen oft an Grundlegendem: Nahrungsmitteln, sicheren Unterkünften, sauberem Wasser und medizinischer Versorgung.
Wiederkehrende Naturkatastrophen wie Überschwemmungen und Dürre, wie in der Somali-Region, führen zu Ernteausfällen. In verschiedenen Regionen sind die Menschen den Folgen von Konflikten ausgesetzt. Ärzte ohne Grenzen arbeitete zum ersten Mal im Jahr 1984 in Äthiopien.
Ärzte ohne Grenzen arbeitete zum ersten Mal im Jahr 1984 in Äthiopien.
Amhara: Behandlung von Schlangenbissen und Kala-Azar
Gerade als wir unsere Klinik wiedereröffnet haben, wurde ein 12 Jahre alter Junge eingeliefert. Er wurde 100 km entfernt in seinem Heimatdorf von einer Schlange gebissen. Sein Zustand war sehr kritisch. Wir haben alles versucht. Wir haben ihn mit zwölf Dosen Gegengift behandelt. Es war wirklich erstaunlich, dass sich der Junge erholt hat.
- Kassaye, medizinischer Leiter unseres Projekts in Abdurafi
Schlangenbisse stellen für Menschen in Äthiopien ein ernstes Gesundheitsrisiko dar. Betroffenen kann beispielsweise mit Antiseren geholfen werden, jedoch sind die Wege bis zur nächsten medizinischen Einrichtung oft weit.
In unserer Einrichtung in Abdurafi, in der Region Amhara, haben wir zwischen 2014 und 2022 mehr als 4.600 Fälle von Schlangenbissen behandelt. Dort kümmern wir uns ebenfalls um die Behandlung der vernachlässigten Tropenkrankheit Kala-Azar. Wir haben inzwischen mehr als 15.000 Erkrankten geholfen. Kala-Azar ist im nördlichen Teil Äthiopiens endemisch und für die Betroffenen oft tödlich. In Zusammenarbeit mit anderen Trägern, wie der Universität von Gondar oder der Drugs for Neglected Disease Initiative (DNDI) haben wir in Abdurafi schon ausschlaggebende Studien zu Koinfektionen von Kala-Azar und HIV gemacht.

Vernachlässigte Krankheiten
Krankheiten, die eher arme Länder betreffen, werden in Forschung und Herstellung von wirksamen Medikamenten häufig vernachlässigt.
Oromia und Gambella: Massiv steigende Zahlen bei Malaria
Malaria war in diesem Jahr für so viele Menschen tödlich. Zum Glück haben wir die Unterstützung von Ärzte ohne Grenzen gefunden.
-Aisha hat mit zweien ihrer Kinder eines unserer mobilen Teams in Oromia aufgesucht. Dort wurden sie diagnostiziert und erhielten Medikamente.
Äthiopien ist immer wieder, besonders zu den Regenzeiten, von Malariaausbrüchen betroffen. In den vergangenen Jahren stiegen die Infektionszahlen rasant an. Während es 2023 4,1 Millionen Malariafälle gab, sind es 2024 schon 7,3 Millionen.
Wir haben darauf reagiert und unsere Aktivitäten in zwei der stark betroffenen Regionen hochgefahren. In der Region Wollega haben wir in Zusammenarbeit mit dem Gesundheitsministerium einen 6-monatigen Notfallplan gestartet. Einerseits haben wir spezialisierte Malariastationen in zwei Krankenhäusern eingerichtet. Dort werden pro Woche um die 750 Menschen behandelt. Andererseits unterstützen wir Gesundheitszentren, und unsere mobilen Teams und lokalen Gesundheitsberater*innen erreichen auch abgelegene Gebiete. Unsere Teams haben tausende Moskitonetze verteilt. So können sich Menschen besonders nachts, wenn die Malaria übertragende Anopheles-Mücke meist aktiv ist, vor Infektionen schützen.
In dem Geflüchtetencamp Kule leben ungefähr 50.000 südsudanesische Menschen. Auch hier sind die Malariainfektionen massiv angestiegen, nämlich um 150 Prozent im Vergleich zu 2023. Zusätzlich zu unseren grundsätzlichen medizinischen Diensten in dem Camp haben wir hier 36.000 Malaria-Patient*innen behandelt. Für Kinder unter fünf Jahren haben wir der neue von der WHO zugelassen Impfstoff R21 verwendet.
Das Problem ist leider ein wiederkehrendes und wird durch die Klimakrise nur noch zunehmen. Wichtig ist, dass Maßnahmen schon vor den saisonal bedingten Höchstwerten der Infektionen eingeführt werden, um einen guten Zugang zur Versorgung und unverzügliche Diagnose und Behandlung zu gewährleisten.
Zuletzt aktualisiert am 05.12.2024