Antimikrobiellen Resistenzen zuvorkommen
Was bedeutet es, wenn bestimmte Medikamente nicht mehr wirken? Erreger, die gegen gängige Mittel resistent sind, entwickeln sich zu einem weltweiten Problem. Für diese Resistenzen gibt es verschiedene Gründe. Doch eines ist klar: Ohne einen Wandel in der medizinischen Forschung und Entwicklung könnte es für Krankheiten, die heute behandelbar sind, in einigen Jahren keine Heilung mehr geben. Es ist daher dringend notwendig, dass neue, effektive Medikamente entwickelt werden.
Was sind antimikrobielle Resistenzen? Unseren Medizinern begegnen sie bei Kriegsverletzten in Jordanien, bei Neugeborenen im Niger oder bei der Versorgung von Brandwunden im Irak. Die deutsche Presse spricht vor allem über „Krankenhauskeime“ oder gar „Super-Keime“. Antimikrobielle Resistenzen (AMR) entstehen, wenn Krankheitserreger wie Bakterien oder Viren gegen gängige Medikamente immun werden. Derzeitig leicht behandelbare Krankheiten sind dann unter Umständen ohne neue Medikamente nicht mehr zu heilen.
Antibiotikaresistenzen – ein unterschätztes Problem
Gerade bei Antibiotika, die gegen bakterielle Erreger eingesetzt werden, ist die Situation besonders dramatisch. Die Weltgesundheitsorganisation warnt vor der Ausbreitung von Resistenzen gegen Antibiotika und der Gefahr eines „post-antibiotischen Zeitalters“*. Die Bildung von Resistenzen ist ein natürlicher Effekt der Evolution. Sie entstehen, weil beim Einsatz von Antibiotika hin und wieder Bakterien überleben, die immun sind gegen das verwendete Medikament. Diese vermehren sich dann ungehindert.
Dies wird zum Problem durch:
- Unsachgemäßen Gebrauch von Antibiotika
- Zunehmende direkte Ansteckung mit antibiotikaresistenten Erregern
- Fehlende medizinische Innovationen
Das betrifft uns hierzulande, ist aber vor allem in ärmeren Ländern problematisch, in denen die Gesundheitssysteme schwach sind und sich die Menschen teure neue Medikamente nicht leisten können. Gegen die entstandenen Antibiotikaresistenzen helfen meist nur noch neue Medikamente, die noch nicht massenhaft in Gebrauch sind. Diese neuen Antibiotika sind entweder sehr teuer oder sie existieren gar nicht. Denn seit 1987 wurde lediglich eine neue Wirkstoffklasse entwickelt - in der bislang nur ein Wirkstoff vorhanden ist.
Forschung zu neuen Antibiotika für Pharmaindustrie unattraktiv
Diese Forschungslücke ist das Symptom eines eklatanten Marktversagens. Für die kommerzielle Pharmaforschung sind Investitionen in neue Antibiotika schlicht unattraktiv. Das Produkt soll nur begrenzt und für kurze Zeit eingesetzt werden. Die Firmen haben also keine großen Profitaussichten und orientieren sich eher an Krankheiten, die mehr einbringen. Forschung orientiert sich also am Profit und eben nicht am tatsächlichen medizinischen Bedarf der Menschen. Um die Forschung und Entwicklung von neuen Antibiotika anzukurbeln, müssen daher Regierungen einschreiten, um die Forschung zu fördern. Und zwar so, dass die Forschungskosten vom letztlichen Produktpreis und dem Verkaufsvolumen entkoppelt werden. Das wird "de-linkage" genannt. Nur so ist gewährleistet, dass dringend benötigte Forschung und Entwicklung zu neuen Antibiotika auch dann stattfindet, wenn es keine Aussichten auf hohe Profite gibt – und die entwickelten Produkte auch tatsächlich für alle bezahlbar sind.
Diagnostika und Impfstoffe könnten helfen
Nicht nur fehlende Innovationen im Bereich der Antibiotika sind ein Problem. Neue, bezahlbare und adäquate Diagnostika können maßgeblich zu einer sachgemäßen Nutzung von Antibiotika beitragen. Auch vorbeugende Immunisierung durch Impfstoffe kann den Gebrauch von Antibiotika und damit auch die Entstehung von Resistenzen stark senken. Denn wer gar nicht erst krank wird, braucht auch keine Behandlung – das ist oft in Krisen- und Konfliktgebieten, sowie Regionen mit schwacher Infrastruktur ein extrem wichtiger Aspekt. So hat sich gezeigt, dass eine umfassende Impfung gegen Pneumokokken, die Lungenentzündung hervorrufen, den Bedarf an Antibiotika um bis zu 47 Prozent senken kann.
Häufig gibt es jedoch keine wirksamen Impfstoffe oder Diagnostika für die Krankheiten, denen Ärzte ohne Grenzen in den Projekten begegnet. Wenn es sie gibt, halten sie den Bedingungen in unseren Einsatzländern nicht stand oder sind viel zu teuer, um sie umfassend einsetzen zu können. Um antimikrobielle Resistenzen vor allem in den Ländern einzudämmen, die davon am stärksten betroffen sind, muss sich die medizinische Forschung an den Bedürfnissen der Patientinnen und Patienten vor Ort orientieren. Gleichzeitig müssen die Preise für vorhandene Produkte für ärmere Länder deutlich sinken: Mit der Kampagne "A Fair Shot - Bezahlbarer Impfstoff für jedes Kind" setzt sich Ärzte ohne Grenzen z.B. für eine Preissenkung der Pneumokokken-Konjugatimpfstoffe für alle ärmeren Länder ein.
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