Zum Christopher Street Day
In Solidarität mit unseren LGBTQIA+–Patient*innen
und –Kolleg*innen
Wir stehen solidarisch an der Seite unserer LGBTQIA+–Kolleg*innen und –Patient*innen auf der ganzen Welt. Alle Menschen sollen eine medizinische und psychologische Versorgung in Anspruch nehmen können. Dabei sollte es keine Rolle spielen, wer sie sind oder wen sie lieben: In unseren Projekten weltweit bieten wir eine solche Versorgung an – unabhängig von Geschlecht, Geschlechtsidentität und sexueller Orientierung.
An vielen Orten, an denen wir arbeiten, werden lesbische, schwule, bisexuelle, transgender, intergeschlechtliche und queere Menschen marginalisiert. Gleichzeitig sind sie oftmals vom Zugang zur Gesundheitsversorgung ausgeschlossen. Wir bieten daher auch in spezialisierten Projekten medizinische Behandlungen und psychosoziale Betreuung an.
So kümmern wir uns beispielsweise um Betroffene, die als Geflüchtete und Asylbewerber*innen in Griechenland leben. Sie sind dorthin geflohen, weil ihr Leben in ihrem Heimatland bedroht oder unerträglich geworden war. Nun sind sie in überfüllten Camps untergekommen, in denen sie neuen Risiken ausgesetzt sind. Stimmen unserer Patient*innen und einer Kollegin aus diesem und anderen Projekten haben wir auf dieser Seite versammelt. Sie machen einmal mehr deutlich, wie wichtig es ist, auch diejenigen Barrieren abzubauen, denen sich Menschen aus der LGBTQIA-Community im medizinischen Bereich ausgesetzt sehen. Unsere Besorgnis gilt Entwicklungen, die sowohl auf administrativer als auch auf sozialer und politischer Ebene auf Feindseligkeit und Gewalt ihnen gegenüber zielen. Dem setzen wir unbedingte Solidarität entgegen.
„Ich glaube, es ist schwieriger für mich, weil ich Teil der LGBTQIA+–Community bin“
Gustavo*, El Salvador
Ich musste gehen, weil ich etwas gesehen habe, was ich nicht hätte sehen sollen. Jemand hat mich gewarnt, dass ich fünf Minuten Zeit habe, mein Haus zu verlassen. Ich bin durch die Berge gelaufen, bis ich einen sicheren Ort erreicht habe, an dem mich meine Brüder abholten, um mich näher an die Grenze zu bringen. Ich erfuhr, dass mein Haus etwa 20 Minuten, nachdem ich es verlassen hatte, angegriffen wurde. Sie haben alles zerstört – sie haben Einschusslöcher in den Wänden hinterlassen. Sie hatten vor, mich zu töten.
Als ich nach Guatemala kam, wurde ich von den Grenzbehörden erpresst. Als ich nach Mexiko einreiste, wurde ich von der Polizei erpresst. Ich schlief auf der Straße. Ich habe nichts gegessen. Jemand hat versucht, mich zu vergewaltigen. Ich wandte mich an das UNHCR [Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen]. Sie erkannten, in welcher Situation ich mich befand, und schickten mich in eine Unterkunft in Tapachula. Als ich dort war, erzählte man mir von El CAI [1].
Ich habe meine Familie und das Leben, das ich mir in El Salvador aufgebaut habe, verloren. Ich hatte einen Job – ich koche sehr gerne und das war es auch, was ich gemacht habe. Jetzt denke ich, dass das letztendlich keine Rolle mehr spielt. Das Wichtigste ist, dass ich mein Leben gerettet habe. Aber es tut weh zu wissen, dass – obwohl meine Mutter und meine Geschwister wissen, dass ich lebe – ich nicht bei ihnen sein kann.
Es ist ein Jahr her, dass ich mein Zuhause verlassen habe. Es war sehr schwierig für mich, mich anzupassen. Ich denke, dass es für mich noch schwieriger ist, weil ich aus der LGBTQIA+–Community komme. Ich bin diskriminiert worden, weil ich homosexuell und ein Migrant bin. Ich habe gearbeitet. Ich kenne mich mit dem Bauwesen aus. Ich würde gerne ein Unternehmen für Hausrenovierungen gründen, ein Veranstaltungsplaner sein oder wieder in der Küche arbeiten.
[1] Unser ambulantes Zentrum für Überlebende von Folter und Gewalt in Mexiko-Stadt, ist bekannt unter seiner spanischen Abkürzung El CAI. Dort bieten wir eine spezialisierte Betreuung für Menschen an, die Folter oder extreme Gewalt, einschließlich sexualisierte Belästigungen oder Gewalt, überlebt haben. Unsere Betreuung im El CAI ist oft langfristig angelegt und zielt darauf ab, die Unabhängigkeit der Patient*innen zu erhöhen, ihr Trauma zu lindern und ihnen Hoffnung zu geben. Unser Team arbeitet mit anderen Partnern zusammen, die den Patient*innen bei sozialen Fragen wie Unterbringung und Schutz, helfen. Patient*innen, die eine chirurgische Versorgung benötigen, überweisen wir an ein Netzwerk von Gesundheitseinrichtungen in Mexiko.
*Name wurde geändert.
„Ich sollte nicht gezwungen werden, mich zu verändern oder zu verstecken“
Alder, Ghana
Als ich 19 wurde, stellte ich fest, dass ich sowohl Männer als auch Frauen mag. Ich beschloss, das meiner Familie und allen, die ich kannte, zu sagen. Das war jedoch die schlechteste Entscheidung, die ich hätte treffen können. In Ghana, dem Land, in dem ich geboren wurde, ist es sehr schlimm, eine andere sexuelle Orientierung zu haben: Du wirst diskriminiert, du wirst bedroht, du bekommst keine Arbeit. Ich habe dort nach meinem Coming-out zwei schreckliche Jahre verbracht. Als ich 21 wurde, beschloss ich, in die USA zu gehen. Deshalb bin ich gerade hier in Panama.
Ich möchte in die USA, weil ich glaube, dass ich dort Rechte haben kann. Ich sollte nicht gezwungen werden, mich zu verändern oder zu verstecken, was ich im Grunde genommen im vergangenen Jahr getan habe. Ich bin von Stadt zu Stadt gezogen, um Arbeit zu finden, und sie haben mich diskriminiert. Deshalb habe ich gespart, ein Ticket nach Brasilien gekauft und bin dann weiter nach Peru, Ecuador, Kolumbien und nach Panama gegangen – was der schlimmste Teil der Reise war.
Den Darién-Dschungel zu durchqueren ist – selbst auf der kurzen Strecke, wie ich es gemacht habe – sehr schwierig. Ich habe das Gefühl, dass ich mein Leben aufs Spiel gesetzt habe, und ich würde es nicht noch einmal tun. Ich bin körperlich gesund, ich bin jung, aber unterwegs habe ich alte Menschen, Babys und sogar Tote gesehen – viele sind ertrunken. Das sind Bilder, die ich nur schwer aus meinem Kopf bekomme. Als ich die toten Menschen am Flussufer sah, konnte ich nur noch daran denken, um mein Leben zu rennen.
In der Gruppe von Migrant*innen, mit der ich unterwegs war, wurde viel über Raub und Vergewaltigung gesprochen – auch das ist sehr erschütternd, vor allem, wenn man es von Menschen hört, die es selbst erlebt haben. Seit meiner Zwischenstation in Peru fühlte ich mich nicht mehr gut: Die Behörden behandelten mich schlecht, weil ich "Afrikaner" und Schwarz bin. Ich musste als Letzter in der Schlange stehen, und sie ließen mich nicht in Hostels bleiben – das hat mich mitgenommen. Die Behörden in diesen lateinamerikanischen Ländern glauben, dass ich auf dem Boden schlafen sollte, weil ich Schwarz bin. Sie haben mir sogar gesagt, dass mein Magen es schon aushält, Müll zu essen oder gar nichts.
Dieses Unbehagen wurde im Dschungel noch dadurch verstärkt, dass ich so viele Menschen sah, die gelitten, die nicht gegessen oder kaum geschlafen hatten. Ich musste meinen Rucksack wegwerfen, um einen Berg zu besteigen. Er war sehr steil! Jedes zusätzliche Gewicht hätte einen aufgehalten. Ich sah Frauen mit Kindern, die versuchten, den Berg zu erklimmen, und das war wirklich schockierend. Es gab sogar Männer, die ihre Frauen trugen und verletzt waren, weil es so schwierig war. Ich muss weiter in die USA, aber so etwas möchte ich nie wieder erleben.
In Panama bieten wir medizinische und psychologische Betreuung für Migrant*innen an, die die gefährliche Durchquerung des Darién-Gaps überlebt haben – ein tückischer Dschungelabschnitt, der Kolumbien und Panama verbindet.
Eine Stimme gegen Diskriminierung: Yuli aus Kuba
Yuli musste als Schwarze trans*Frau ihre Heimat Kuba aus Angst vor Gewalt und Diskriminierung verlassen. Nun lebt sie in Griechenland und macht sich für die Rechte von LGBTQIA+–Menschen stark. In unserem Artikel und Video berichtet sie über ihre Flucht und ihr neues Leben in Athen.
Kampf mit der Bürokratie: International arbeiten als trans*Frau
Julie Papango ist Laborwissenschaftlerin und hat mit uns bereits in mehreren Ländern am Aufbau von Laboren gearbeitet. In ihrem Blog erzählt sie, welche Hürden sie immer wieder überwinden muss, um als trans*Frau Grenzen passieren und international arbeiten zu können.