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„Der dankbarste Job, und der härteste, den ich je gemacht habe.“ – Wie es ist, für Ärzte ohne Grenzen zu arbeiten

Ist der Einsatz mit Ärzte ohne Grenzen ein Traumberuf? „Ja und nein“, sagt die ausgebildete Krankenschwester Helen O´Neill, die jahrelang Landeskoordinatorin für Ärzte ohne Grenzen war. „Die Realität in den Projekten kann extrem hart sein.“ O´Neill ist jetzt Personalchefin in Berlin. Im Interview erzählt sie von den Einsätzen an gefährlichen Orten, die es immer häufiger gibt und beantwortet Fragen zu den Lebensbedingungen im Projekteinsatz.

Helen O´Neill, was sagen Sie den Ärztinnen, Krankenpflegern oder Logistikern, die sich für einen Einsatz mit Ärzte ohne Grenzen interessieren?

Sie sollten prüfen, ob Sie eine gute Konstitution haben. Und damit meine ich sowohl die körperliche Ausdauer als auch die psychische Belastbarkeit. Denn die Arbeitszeiten vor Ort sind sehr lang und ermüdend, unsere Mitarbeiter müssen unter Umständen stundenlange Fußmärsche überstehen, um entlegene Orte zu erreichen oder werden über Stunden in einem Geländewagen durchgeschüttelt, der sich über schlammige oder löchrige Straßen quält. Auch emotional kann die Arbeit sehr herausfordernd sein, zum Beispiel wenn man einen Patienten sterben sieht, der in einem europäischen Krankenhaus ohne weiteres überlebt hätte. Manches stimmt einen nicht nur traurig, sondern auch wütend.

Worin bestehen die größten Herausforderungen, wenn Sie Mitarbeiter von Deutschland aus in die ganze Welt schicken?

Jeder Einsatzort ist unterschiedlich, abhängig vom jeweiligen Kontext. Leider gibt es immer mehr Einsatzorte mit Sicherheitsproblemen. Wer also heute für uns arbeiten möchte, muss sich darauf einstellen, auch in unsicheren Gebieten eingesetzt zu werden. Seien es Kriegsgebiete oder Orte mit hoher Kriminalität und fehlender funktionierender Regierung.

Müssen die Mitarbeiter von Ärzte ohne Grenzen alleine für ihre eigene Sicherheit sorgen?

Oh nein, auf keinen Fall. Für uns ist die Sicherheit von Helfern und Patienten immer Chefsache. Wir haben viel Erfahrung darin, für die Sicherheit unseres Personals in Krisengebieten zu sorgen. Vor allem für die internationalen Mitarbeiter heißt dies jedoch auch, dass sie sich sehr strikt an die Sicherheitsmaßnahmen halten müssen: Ausgangssperre während der Dunkelheit, keine freie Bewegungsmöglichkeiten in der Freizeit und stundenlange Aufenthalte in Sicherheitsräumen, bei Granatenbeschuss oder Bombardements.

Wie anspruchsvoll sind die Tätigkeiten der Projektmitarbeiter von Ärzte ohne Grenzen?

Die Arbeit ist sehr anspruchsvoll aber gleichzeitig auch sehr befriedigend. So beschränkt sich zum Beispiel die Arbeit der medizinischen Kollegen längst nicht auf die Behandlung von Patienten. Sie leiten ganze Bereiche und sind mehr mit administrativen Dingen beschäftigt, als sie vielleicht erwartet hätten. Die Erhebung und Evaluation von Daten z.B. ist wichtig, um die Projekte laufend an die Bedürfnisse anzupassen.

Und wie sind die Lebensbedingungen in den Einsatzländern?

Unsere Mitarbeiter wohnen häufig direkt am Projektstandort in sehr abgelegenen Gegenden, wo man keine Erwartungen an Luxus stellen darf. Es gibt Eimerduschen, Plumpsklos und manchmal ist nach 22 Uhr kein Strom mehr da. Gleichzeitig kann es viel Spaß machen, im Team zusammenzuarbeiten und zu leben. In anderen Projekten wiederum wohnen unsere Mitarbeiter in größeren Städten in sehr komfortablen Häusern. Ein Einsatz mit Ärzte ohne Grenzen ist aus meiner Sicht der dankbarste und erfüllendste Job, den es gibt. Auch wenn es die härteste Arbeit war, die ich je gemacht habe. Sehr wenig im „normalen Leben“ ist mit dieser Erfahrung vergleichbar.

Was ist wichtig für eine erfolgreiche Bewerbung für Projektmitarbeitende?

Aufgrund der anspruchsvollen Arbeit stellen wir ziemlich hohe professionelle Anforderungen. Wir haben das Glück, dass das Interesse an einer Mitarbeit bei Ärzte ohne Grenzen für viele Berufsgruppen weltweit hoch ist. Daher ist es für eine chancenreiche Bewerbung immer gut, wenn man zusätzlich zu den Grundvoraussetzung noch weitere Qualifikationen mitbringt. Das kann zum Beispiel eine Sprache sein, vor allem Französisch oder auch Arabisch und Russisch. Man sollte auch Arbeits- und Lebenserfahrungen im Ausland mitbringen. Auf jeden Fall suchen wir immer gute, und professionell erfahrene Leute, die Lust auf eine sinnvolle Tätigkeit haben.