Das Pendel der Gewalt
Die kongolesischen Provinz Süd-Kivu, die im Osten an Ruanda und Burundi grenzt, hat eine turbulente Geschichte. Beide Kongokriege haben tiefe Narben hinterlassen, und bewaffnete Gruppen kämpfen immer noch um die Kontrolle von Gebieten. Die Zivilbevölkerung wird durch die Gewalt häufig aus ihren Dörfern vertrieben. Beispiel dafür sind die etwa 170.000 Bewohner der Region Lulingu in Süd-Kivu, die oft von einem Moment auf den anderen dazu gezwungen sind, zu fliehen. Sie haben keine regelmäßigen Mahlzeiten, keine Schule für ihre Kinder, keine Arbeit, keinen Ort zum Schlafen und keinen Zugang zu medizinischer Versorgung. Wie helfen den Familien daher nicht nur mit medizinischer Hilfe.
Die Region Lulingu ist in Gewalt versunken. Wenn die Kämpfe näher kommen, fliehen die Dorfbewohner in den Wald. Wenn die bewaffneten Männer weiterziehen, kehren sie zu ihren Dörfern und Feldern zurück, um nachzusehen, was noch steht. Dann beginnen sie mit dem Wiederaufbau und der Neubepflanzung der Felder.
Gewalt zwischen bewaffneten Gruppen und der Armee
Mindestens zwei rivalisierende Gruppen betrachten Lulingu als ihr Gebiet, während sie gleichzeitig die kongolesische Armee bekämpfen. Wenn eine Gruppe anrückte, zieht sich die andere zurück; wenn sich eine Gruppe zurückzieht, rückt die andere Gruppe vor. Die Kämpfe gehen hin und her wie ein Pendel. Sie vertreiben die Menschen vor Ort aus ihren Häusern und fügen ihnen jedes Mal von Neuem Schaden zu.
„Wir müssen oft vor Zusammenstößen der Raïa Mutomboki [Selbstverteidigungsgruppe, die einen Teil des Gebiets kontrolliert] mit der regulären Armee fliehen“, sagt die 18-jährige Elisée aus dem Dorf Ngola. „Deswegen können wir unsere Felder nicht bestellen: Wenn wir zurückkommen können, sind die Feldfrüchte meist schon verdorben, zerstört oder sie wurden verbrannt.“
Die Menschen bestreiten ihren Lebensunterhalt mit dem Anbau von Feldfrüchten oder mit Viehzucht und sind deswegen vom Land abhängig. Das ständige Fliehen und Zurückkehren bedeutet, dass sie immer wieder von vorn beginnen müssen. Sie befinden sich in einem ständigen Kampf darum, ihren Lebensunterhalt zu sichern.
„Wenn wir uns im Wald verstecken, können wir nicht immer genug zu essen finden“, sagt Kaburiwazi, ein 30-jähriger Minenarbeiter aus Ngola. „Wir müssen in andere Dörfern gehen, um Nahrungsmittel zu finden. Mit diesen ganzen Sicherheitsproblemen konnten wir die Ernte nicht einholen. Wir hoffen jetzt alle, dass wir im Januar ernten können, weil die Situation etwas ruhiger ist.“
Hilfe auf zwei Rädern
Um den Vertriebenen in abgelegenen Regionen zu helfen, hat Ärzte ohne Grenzen vor kurzem eine Hilfsverteilung in acht Dörfern zwischen Nduma und Makala organisiert. Nduma und die umliegenden Dörfer sind nicht über eine Straße erreichbar. Unsere Teams konnten daher keine Wagen benutzen, sondern fuhren Motorrad: 30 Motorräder transportierten die Hilfsmittel - eine Aktion, die zwölf Tage dauerte. 519 Familien wurden so mit essentiellen Dingen wie Moskitonetzen, Reservekanistern, Küchenutensilien, Seife, Decken, Matten, Kleidung, Stoffen und Werkzeugen für den Ackerbau versorgt.
Regelmäßig durch Gewalt aus seinem Haus vertrieben zu werden, macht normales Leben unmöglich. Vertriebene Menschen haben nichts mehr, auf das sie sich verlassen können: Keine regelmäßigen Mahlzeiten, keine Schule für ihre Kinder, keine Arbeit, kein Ort zum Schlafen, keinen Zugang zu medizinischer Versorgung. Das macht sie extrem verletzlich und anfällig für Krankheiten. „Wenn man vorher krank wurde, erwartete man nicht, gesund zu werden“, sagt Kaburiwazi. Das hat sich geändert seit unsere Teams von Ärzte ohne Grenzen begannen, das Gesundheitszentrum der Gemeinde Makala zu renovieren und mit der Verteilung von kostenlosen Mahlzeiten starteten.
Auch an anderen Orten in Süd-Kivu sind die Menschen vergleichbaren Situationen ausgesetzt. Daher verteilten wir im Oktober Erste-Hilfe-Ausrüstungen und boten psychologische Unterstützung um Luntukulu an. 2.700 Vertriebene leben in dem Gebiet. Im Gesundheitszentrum von Luntukulu behandelt eins unserer Teams Menschen mit Mangelernährung, nachdem wegen einer drohenden Ernährungskrise Alarm geschlagen wurde.
Ärzte ohne Grenzen bot erstmals 1981 Hilfe in der D.R. Kongo an und ist in fast allen Provinzen aktiv. Im August 2015 eröffnete Ärzte ohne Grenzen ein Projekt in Lulingu, wo die Teams das Allgemeine Krankenhaus und sechs umliegende Gesundheitszentren mit einem speziellen Fokus auf Schwangere und Kinder unterstützten. Die Teams betreuten die Pädiatrie, Notaufnahme und den Operationssaal.