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Covid-19: Besondere Gefahr für Menschen mit Tuberkulose und HIV

Was bei der Berichterstattung über die verheerende Covid-19-Lage in Indien wenig in den Blick genommen wird, sind die Konsequenzen der aktuellen Gesundheitskrise für Menschen mit Krankheiten wie Tuberkulose (TB) oder HIV. Sie brauchen ob der Schwere ihrer Erkrankung sowieso besondere Aufmerksamkeit, um so mehr aber seit so viel medizinische Ressourcen zur Bekämpfung von Covid-19 abgezogen werden. Sollten sie in die gefährliche Situation einer Infektion mit dem Coronavirus kommen, wird das für sie noch existentieller. Unsere Mitarbeiter*innen in Mumbai wissen darüber viel zu berichten. Sie erzählen auch davon, was es bedeutet, Patient*innen in der unglaublichen Sommerhitze zu helfen, die Menschen und  technische Systeme in die Knie zwingt. Nicht zuletzt übermitteln die Kolleg*innen Botschaften großer Solidarität. 

Unsere medizinische Koordinatorin in Mumbai, Mabel Morales, berichtet aus dem dortigen Covid-Behandlungszentrum mit 1.000 Betten, wie stark Ende April die Zahl der Erkrankten nochmals zugenommen hat. Die Behörden kämpften verzweifelt darum, noch freie Plätze für Patient*innen in Krankenhäusern zu finden. “Unser Team arbeitet an sechs Tagen in der Woche in Acht-Stunden-Schichten. Wir arbeiten in Zelten, in denen es sehr heiß ist und das in Schutzkleidung, mit Gesichtsmasken, Handschuhe usw. Das ist eine wirklich heftige Arbeitsumgebung. Und dennoch sind die  Kolleg*innen unglaublich engagiert darin, den Patient*innen zu helfen.”  

In Indien sind die Covid-19 Fallzahlen dramatisch angestiegen und stellen das Personal in den Gesundheitseinrichtungen vor große Herausforderungen.

Unser Manager für medizinische Aktivitäten in Mumbai, Gutam Harigovind, fordert die Menschen zur Einhaltung der Präventionsmaßnahmen auf, um den rasanten Anstieg der Infektionszahlen zu verhindern. Nur so kann die Situation in den Kliniken entspannt und eine ausreichende Notversorgung hergestellt werden. Wir leisten in Mumbai umfangreiche Hilfe.

©MSF

Schwierige Situation für TB-, HIV-, Diabetes oder Bluthochdruckpatient*innen 

Mable Morales berichtet von großer Solidarität unter den Mitarbeiter*innen und von der wichtigen Arbeit mit den unterschiedlichen Gemeinden in Mumbai. Sie betont, wie wichtig es ist, marginalisierte Menschen und Patient*innen mit chronischen Krankheiten wie TB oder HIV in den Fokus zu rücken. Wir haben beispielsweise schon länger entsprechende Programme für Menschen mit (resistenter) TB.  Es ist unglaublich wichtig, aber angesichts der völlig überlasteten Gesundheitseinrichtungen keineswegs mehr selbstverständlich, dass deren normale medizinische Versorgung aufrecht erhalten wird.  

Die Auswirkungen der Covid-19-Krise auf die reguläre Gesundheitsversorgung ist auch die größte Sorge unserer medizinischen Projektreferentin Aparna Iyers. “Momentan werden so viele Krankenhäuser, Gesundheitszentren und Mitarbeiter*innen des Gesundheitswesens für die Covid-Maßnahmen abgezogen, dass gefährdete Menschen, die an Tuberkulose-, HIV-, Diabetes- oder Bluthochdruck erkrankt sind, weite Wege auf sich nehmen müssen, um einen Ort zu finden, an dem sie behandelt werden können”, sagte sie.  

Große Sorge um Intensiv-Pflege für TB-Patient*innen mit kritischem Covid-19-Verlauf 

Aparna Iyers weiß sehr gut um die Situation im Bezirk M-East, in dem wir in Mumbai arbeiten: 70 Prozent der 700.000 dort lebenden Menschen wohnt in ärmeren informellen Siedlungen. Sehr viele Bewohner*innen sind auf der Suche nach Arbeit zugewandert: Sie sind Tagelöhner*innen und wurden im vergangenen Jahr, während der ersten Welle der Covid-Erkrankungen, besonders hart getroffen.  

Viele verloren ihre Arbeit und waren gezwungen, in ihre Heimat zurückzukehren. Für Menschen mit resistenter TB bedeutete dies eine Unterbrechung ihrer wichtigen Behandlung, da die benötigten Medikamente in kleineren Städten oder ländlicheren Gebieten oft nicht verfügbar sind.  

Bei solch ernsten Erkrankungen wie TB oder HIV hat eine Unterbrechung der Therapie schon unter normalen Umständen eine schwerwiegende Verschlechterung des Gesundheitszustands der Betroffenen zur Folge. Darüber hinaus können sich Resistenzen gegen die Medikamente entwickeln, die auch global gesehen die Fortschritte im Kampf gegen resistente TB-Formen zurückwerfen. Jetzt aber kommt für die Patient*innen die Gefährdung durch eine Ansteckung mit dem Coronavirus hinzu: “Meine größte Sorge ist die Verfügbarkeit von Sauerstoff und die Kapazität an Isolierbetten, einschließlich der Intensiv-Pflege für Patient*innen mit resistenter TB, die mit dem Coronavirus koinfiziert sind”, so Aparna Iyers. 

Wichtige Unterstützung für Arbeitsmigrant*innen, die ihren Job verlieren 

Um eine Wiederholung der Situation vom vergangenen Jahr zu vermeiden, bitten wir unsere Patient*innen, die eigentlich aus anderen Regionen stammen, uns mitzuteilen, wenn sie ihre Arbeit verlieren und gehen müssen. So können wir einen Vorrat an Medikamenten an ihre örtlichen Gesundheitszentren schicken und mit diesen in Kontakt treten.  

Wir bieten auch telefonische Beratung an, um sie bei anderen Problemen zu unterstützen, wie bei der Beschaffung der täglichen Ration Medizin. Unser Team bietet auch psychologische Unterstützung an und versucht, Wege zur Zusammenarbeit mit anderen Organisationen zu finden, die helfen können. 

Eine Toilette für 1.000 Menschen am Tag 

Vorbeugende Aufklärungsarbeit in den Gemeinden gehört selbstverständlich ebenfalls zu den grundlegenden Pfeilern bei der Bekämpfung der Pandemie. Wir haben diese Aktivitäten ausgebaut, und unsere Teams besuchen die Menschen, wo sie leben, um wichtige Regeln zum Schutz vor Covid-19 weiterzugeben.  

Wir beginnen zudem gerade, unsere Wasser- und Sanitärarbeit wieder aufzunehmen und desinfizieren beispielsweise öffentliche Toiletten, die oftmals von 1.000 Menschen am Tag benutzt werden. Unser Projektkoordinator Dilip Bhaskaran berichtet, dass es auch in den medizinischen Einrichtungen wichtige Aufgaben in diesem Bereich zu bewältigen gilt. So helfen unsere Teams dabei, den Infektionsschutz zu gewährleisten.  

Logistische Herausforderungen wegen der Lockdown-Beschränkungen 

Die Hitze in den Behandlungszelten ist selbstverständlich nicht nur für die Mitarbeiter*innen in ihrer Schutzkleidungschwer zu ertragen, sie stellt auch für die Patient*innen eine große zusätzliche Belastung dar. Dilip Bhaskaran erzählt: “Heute Morgen sind einige der Kühler in den Zelten ausgefallen. Das sind keine Klimaanlagen, sondern große Ventilatoren, die Luft durch Wasser blasen und so den Raum kühlen.  Wir haben versucht, Techniker zu finden, die sie reparieren, doch es ist kompliziert. Die Einrichtung wurde von einer Managementfirma vorgenommen, und diese ist wegen der Lockdown-Einschränkungen nicht in der Lage, an die Ersatzteile zu kommen oder einen Techniker zu schicken. … Wir versuchen jetzt, jemand anderen zu finden, der trotz der strengen Lockdown-Regeln helfen kann.”