Was diese Frauen leisten, hat Hand und Fuß – die Hebammen von Mossul
Der Kampf um Mossul ist offiziell seit zwei Jahren beendet, der Wiederaufbau des Gesundheitswesens kommt jedoch nur langsam voran. Selbst Bedarfe der medizinischen Grundversorgung können manchmal nicht gedeckt werden. Besonders problematisch ist diese Situation für Schwangere. Viele sind gezwungen, zuhause zu gebären ohne fachliche Unterstützung. In zwei Einrichtungen in West-Mossul helfen unsere überwiegend weiblichen Fachkräfte den werdenden Müttern, ihre Babys zur Welt zu bringen – in diesem Jahr bereits mehr als 5.000.
„Hebamme zu sein ist etwas Schönes, denn wir begleiten Frauen durch ihr Leben. Sie erzählen uns ihre Geschichten und teilen ihre traurigen und glücklichen Momente mit uns“, erzählt Intissar Abdulrahman Mostu. Sie ist Hebamme und arbeitet in Al Rafadain in der kleineren von zwei Geburtskliniken im Westen Mossuls, die von Ärzte ohne Grenzen geleitet werden. Sie gehört zu einem Team, bestehend aus Hebammen und Gynäkolog*innen, das Frauen bei regulären vaginalen Entbindungen begleitet. Fälle mit Komplikationen oder Kaiserschnitte werden an die nur zehn Minuten entfernt liegende Nablus-Geburtsklinik überwiesen.
Auch während des Kriegs hat sie Frauen dabei geholfen, zuhause zu gebären. Intissar Abdulrahman Mostu erzählt: „Manchmal haben mich Verwandte von Frauen aufgesucht und mich gebeten, mich um ihre Ehefrauen, Schwestern und Töchter zu kümmern. Obwohl ich selber schwanger war, habe ich damals lange Strecken zu Fuß zurückgelegt, weil ich wusste, dass ich die einzige Hebamme in der Umgebung bin. Die Menschen erfuhren durch Mundpropaganda von mir. Sie ist eine gute Hebamme, die dir helfen kann, haben sie gesagt.“
Babys warten nicht auf das Gesundheitswesen
Mehr als zwei Jahre nachdem das Ende der Schlacht um Mossul verkündet wurde, ist in den Straßen der Stadt wieder Alltag eingekehrt. Das Gesundheitssystem aber erholt sich nur langsam. Viele hochangesehene Ärzt*innen sowie medizinische Fachkräfte sind während der Kämpfe geflohen. Für Mütter und ihre Babys ist es deshalb bis heute schwierig, Zugang zu einer ordentlichen Gesundheitsversorgung zu erhalten.
Immer noch sind viele gezwungen, ihre Kinder zuhause zur Welt zu bringen - meist ohne die Hilfe von ausgebildeten Hebammen. Sogar Frauen, die bei früheren Geburten Kaiserschnitte hatten und somit einem größeren Risiko für Komplikationen ausgesetzt sind, gebären zuhause. Eine Entbindung begleitet von Fachpersonal kommt für viele nicht infrage. Entweder sind die Kosten zu hoch, der Andrang zu groß oder es gibt einfach keine Einrichtung in der Nähe. Aber Babys warten nicht darauf, dass das Gesundheitswesen bereit ist.
5.176 Geburten in acht Monaten
Um die Schwierigkeiten bei der Versorgung Schwangerer und ihrer Babys zu verbessern, haben wir im Juli dieses Jahres die Einrichtung in Al Rafadain, in der Intissar Abdulrahman Mostu arbeitet, eröffnet. Bereits seit 2017 betreiben wir darüber hinaus eine Geburtsstation in der Nablus-Klinik, ebenfalls im Westen von Mossul. In beiden Einrichtungen bieten wir sichere, qualitativ hochwertige und kostenlose Geburtshilfe sowie Nachsorge an.
Das Angebot wird von der örtlichen Bevölkerung gut angenommen. Die Teams aus überwiegend weiblichen Fachkräften helfen pro Woche rund 170 Babys auf die Welt. Zudem versorgen sie erkrankte Neugeborene und frühgeborene Kinder, unterbreiten Angebote zur Familienplanung und führen gynäkologische Routineuntersuchungen durch.
Schwangerschaftsverlauf unbekannt
Dennoch bleibt der Bedarf an einer umfassenden medizinischen Versorgung hoch. „Fast keine Frau, die zu uns kommt, hat während der Schwangerschaft eine ordentliche Betreuung genossen. Somit haben wir keine Ahnung vom Verlauf ihrer Schwangerschaften, wenn sie bei uns erscheinen“, erzählt Emily Wambugu. Auch sie ist Hebamme, mit mehr als zwanzig Jahren Berufserfahrung aus Einsätzen auf der ganzen Welt.
Sie erzählt davon, dass Frauen - sofern diese sich das überhaupt leisten können - oft dazu überredet würden, teure Ultraschalluntersuchungen in Privatkliniken in Anspruch zu nehmen. „Trotzdem bekommen sie keine ordentliche Schwangerschaftsversorgung, nicht einmal notwendige Impfungen oder Vitamine“, so Emily Wambugu. „Die Leistung, die sie in Anspruch nehmen, geht meist nicht über die Bestimmung des Geschlechtes des Babys hinaus.“