„Ich werde den Menschen immer helfen“
Zwei Brüder aus dem Irak haben erlebt, was es bedeutet, von einem Moment auf den nächsten fliehen zu müssen. Nun helfen sie syrischen Geflüchteten, die im Nachbarland Zuflucht gesucht haben. Jamal und Jalal sind Teil einer Gruppe von Gesundheitspersonal, die in der Lage ist, innerhalb von 48 Stunden auf Notfälle zu reagieren.
Innerhalb kürzester Zeit wurde Mitte Oktober das Bardarasch-Camp im Norden des Irak eröffnet, um Geflüchtete aus den umkämpften Regionen im Nordosten Syriens aufzunehmen. Inzwischen leben dort mehr als 13.000 geflüchtete Syrer*innen. Ursprünglich wurde es 2013 gebaut, um irakischen Vertriebenen Schutz zu bieten, die vor den Konflikten in Mossul flohen.
Jalal und Jamal gehörten zu den ersten Mitarbeiter*innen, die wir dorthin schickten. Sie kommen aus der Stadt Sinuni im Nordwesten des Iraks, aus einer Region, in der viele Jesid*innen leben. Als Gesundheitsberater sind für die Umsetzung einer psychosozialen Bedarfsanalyse im Camp verantwortlich. Parallel dazu richten sie einen psychosozialen Beratungsdienst für die Bewohner*innen ein.
Die eigene Fluchterfahrung hilft
„Wir gehen im Flüchtlingscamp von Zelt zu Zelt, führen Gespräche mit Familien und identifizieren Symptome, die mit einem psychischen Trauma zusammenhängen können“, erklärt Jamal. „Als ehemalige Geflüchtete können wir nachvollziehen, was die Menschen in diesen Momenten, die wir selbst erlebt haben, fühlen. Außerdem ist die Sprache der syrischen Kurd*innen unserer regionalen Sprache sehr ähnlich. Das erleichtert es, uns gegenseitig zu verstehen und eine enge Verbindung aufzubauen."
Jamal und Jalal machten die schmerzhafte Erfahrung, Geflüchtete zu sein, als ihre Heimatregion im Nordwesten des Irak 2014 vom sogenannten Islamischen Staat besetzt wurde. „Wir sind in die Berge geflohen“, erzählt Jalal. „Dann überquerten wir mit einigen meiner Verwandten die syrische Grenze, bevor wir nach Dohuk im irakischen Kurdistan weiterfuhren. Von dort aus konnte ich mein Fernstudium an der Universität in Mossul fortsetzen, während die Stadt besetzt war.“ Nach dem erfolgreichen Abschluss des Studiums arbeitete Jalal als Freiwilliger in den Flüchtlingslagern der Region, gab Englischunterricht und leitete Erste-Hilfe-Kurse.
„Wir sind hier, um ihnen zuzuhören“
2018, als er wieder in Sinuni war, um seinen Personalausweis zu verlängern, erfuhr Jalal von unserem Projekt zur psychosozialen Gesundheit und schloss sich dem medizinischen Team an. Die beiden Brüder arbeiten nun als medizinische Übersetzer und Gesundheitsberater, um traumatisierte Geflüchtete zu unterstützen.
„Wir sind hier, um den Menschen zu sagen, dass sie hier und anderswo eine Zukunft haben, dass Organisationen wie Ärzte ohne Grenzen ihnen auf verschiedenen Ebenen helfen werden und dass wir hier sind, um ihnen zuzuhören“, sagt Jamal. „Wir nutzen die Gelegenheit, ihnen einige Atem- und Massageübungen zu zeigen, um Stressmomente abzubauen.“ Am Ende jedes Interviews erhalten die Familien eine kleine Broschüre, in der die Symptome psychosozialer Belastungen erklärt werden. Somit können sie diese selbst erkennen und bei Bedarf medizinische Hilfe aufsuchen.
„Es ist wichtig, dass sie ihre Geschichten, Ängste und Zweifel teilen können“
„Die Menschen haben genauso viele Fragen an uns wie wir an sie, und das ist ganz normal“, sagt Jalal lächelnd. „Auch, wenn wir nicht immer Antworten haben, ist es für sie wichtig, ihre Geschichten, Ängste und Zweifel teilen zu können. Das hilft uns auch, die Menschen zu finden, die weitere Unterstützung benötigen.
Einige Tage später kommt ein neues Team ins Camp, um Jamal und Jalal abzulösen. Die beiden fahren nach Sinuni zurück, um ihre reguläre Arbeit wiederaufzunehmen. Bei Bedarf werden sie wiederkommen. Trotz Müdigkeit und hoher Arbeitsbelastung sagt Jalal: „Ich werde den Menschen immer helfen.“