„Im Schatten des Friedensprozesses“ – In Kolumbien hält die Gewalt weiter an
Auch nach dem Ende des jahrzehntelangen Konfliktes mit den Fuerzas Armadas Revolucionarias de Colombia / FARC in Kolumbien sind die Menschen in Teilen des Landes nach wie vor einem hohen Ausmaß an Gewalt ausgesetzt. Dies zeigt der Bericht „Im Schatten des Friedensprozesses“, den Ärzte ohne Grenzen heute veröffentlicht.
Der Bericht belegt die Folgen der Gewalt für die Menschen in den Städten Buenaventura und San Andrés de Tumaco, wo Teams von Ärzte ohne Grenzen Gewaltopfer seit dem Jahr 2014 medizinisch versorgen. Wie eine Analyse der Gewalttaten zeigt, werden diese inzwischen vor allem von bewaffneten kriminellen Gruppen verübt, deren Anzahl und Einfluss gestiegen ist. Dies hat dazu geführt, dass die Zahl an Drohungen, gezielten Tötungen, Entführungen, Verhaftungen und Erpressungen sowie dem Verschwinden von Menschen stark zugenommen hat.
Daten, die Psychologen von Ärzte ohne Grenzen in den Jahren 2015 und 2016 gesammelt und ausgewertet haben, zeigen, welche Folgen die Gewalt für die betroffenen Menschen hat. Die von Ärzte ohne Grenzen behandelten Patienten litten oder leiden unter Depressionen (25 Prozent), Angstzuständen (13 Prozent), anderen psychischen Erkrankungen (11 Prozent) und posttraumatischen Belastungsstörungen (acht Prozent). Die Daten belegen auch, dass in nur neun Prozent der Fälle sexueller Gewalt die Opfer innerhalb von 72 Stunden nach dem Vorfall behandelt wurden. Dies ist der Zeitraum, in dem die Übertragung sexueller Krankheiten oder ungewollte Schwangerschaften wirksam medizinisch verhindert werden können.
Trotz des großen Bedarfs gibt es in Buenaventura und Tumaco viel zu wenig institutionalisierte Angebote an Hilfe für die Opfer von Gewalt. Ärzte ohne Grenzen ruft die kolumbianische Regierung dazu auf, die medizinische und psychologische Hilfe für Gewaltopfer aufzustocken – gerade auch in ländlichen Gegenden.